Philemon und Baucis - Metamorphose | AVENTIN Blog --

Philemon und Baucis - Metamorphose

Philemon und Baucis – Metamorphosen Ovid - Römische Sage
Philemon und Baucis  

Philemon und Baucis – Metamorphosen Ovid - Römische Sage 


Lelex, ein Mann in Jahren und im Geiste gereift, erzählte folgendes: „Des Himmels Gewalt ist unendlich und grenzenlos. Was immer die Götter nur wollen, sogleich ist es vollendet. Hört, damit ihr nicht zweifelt!

Es stehen auf dem phrygischen Hügel, von mittlerer Mauer umschlossen, nebeneinander Eiche und Linde. Ich selber sah den Ort, denn Pittheus sandte mich einstmals in die Gefilde des Pelops, die sein Vater früher regierte. Nahe dabei befindet sich ein Teich, einst wohnliche Gegend, doch jetzt hausen dort im Wasser sumpfliebende Hühner und Taucher.

Jupiter kam einmal in Menschengestalt dorthin, wie auch der Enkel des Atlas, der Stabsträger, welcher ohne Flügel erschien, mit seinem Vater. Sie gingen tausend Behausungen ab, ein Obdach zu finden, tausend Behausungen wurden ihnen versperrt. Nur eine Behausung, klein, mit Stroh und mit Schilfrohr gedeckt, empfing sie.

Dort hausten die alte fromme Baucis und der gleichfalls betagte Philemon, welche seit ihrer frühen Jugend verbunden waren. Sie waren in dieser Hütte gealtert und machten aus ihrer Armut kein Hehl, sie ertrugen sie mit Gelassenheit. Egal, ob man nach Herr oder Diener hier fragte, es blieb sich gleich: Diese Zwei waren die ganze Familie, beide befehligten und beide gehorchten.

Wie nun die Himmelsbewohner das winzige Häuschen erreichten und mit gesenktem Kopf die niedere Tür durchschritten, lud sie der Greis sofort ein, es sich auf dem bereiteten Sitz behaglich zu machen. Die emsige Baucis breitete darüber schnell ein raues Gewebe und zerteilte im Herd die laue Asche. Sie schürte das vorherige Feuer an, legte Blätter und trockene Rinde nach und entfachte es mit altersgeschwächtem Atem zu Flammen.

Vom Estrich holte sie ganz klein gespaltenes Kienholz und dürres Reisig und schob es dem ehernen Kessel zerkleinert unter. Dann entblätterte sie den Kohl, den der liebe Gemahl im bewässerten Garten eingesammelt hatte, mit doppelzinkiger Gabel, hob den schwärzlichen Schweinerücken vom finsteren Balken, der schon lange aufbewahrt wurde, und schnitt ein kleines Stück davon ab, um es hernach im siedenden Wasser auf dem Herd zu kochen.

Beide verkürzten den Gästen mit Geplauder die Zeit, damit ihnen nicht langweilig wurde. Sie füllten eine Wanne mit großem Henkel aus Buchenholz, welche am Pflock hing, mit lauem Wasser, damit sich die Gäste die Glieder wärmen konnten.

Im Raum gab es eine weiche Seegras Matratze, welche auf dem Divan lag, dessen Gestell und Füße aus Weidenholz bestanden. Diese war mit Decken zugedeckt, da sie nur an festlichen Tagen gebraucht wurde. Alles war billiges, altes Zeug und passte irgendwie zum Divan aus Weidenholz.

Sodann legten sich die Götter dort hin. Die Alte, bekleidet mit Schürze, stellte zitternd den Tisch vor die Gäste. Doch es hinkte ein Tischbein, eine Scherbe war aber schnell untergelegt und beseitigte die Neigung. Alsdann fegte sie die Tischplatte mit grünem Pfefferminzkraut und tischte auf in irdenen Gefäßen: Grüne und schwarze Oliven der keuschen Minerva, späte Kornelkirschen in flüssige Hefe gelegt, Endivien, Rettich, Käse und Eier, welche man nur leicht in nicht mehr glühender Asche gewendet hatte.

Auch war ein aus Silber getriebener Mischkrug und Becher aus geschnitztem Buchenholz aufgestellt, welche innen mit gelblichem Wachs bestrichen waren. Nach einer kurzen Weile holte sie das warme Essen vom Herd und kredenzte einen noch sehr jungen Wein. Nach dem Essen war alles zur Seite geräumt und der Nachtisch wurde serviert. Da gab es Nüsse und Feigen, gemischt mit runzligen Datteln, und Pflaumen, duftende Äpfel und frisch gepflückte, purpurne Trauben. Alles war in weiten Körbchen gebettet und in der Mitte prangte eine glänzende Honigwabe. Zu allem gesellten sich freundliche Mienen und ein guter, nicht geizender Wille.

Indes bemerkten sie aber, dass der Krug, der so manchmal geleert wurde, sich ganz von selber wieder füllte und dass der Wein sich sachte mehrte. Ängstlich erhoben sie die beiden, bestürzt ob dem Wunder, und die arme Baucis und der ebenso erschrockene Philemon stammelten nun Gebete und flehten für das Mahl und den bescheidenen Tisch um Vergebung.

Sogleich schickten sie sich an ihre einzige Gans, die ihnen zu eigen war, welche auch das winzige Häuschen hütete, den göttlichen Gästen zu opfern. Doch die Gans wehrte sich mit regem Flügelschlag und spielte gar lange mit ihnen, so dass die schwächlichen Alten schnell ermüdeten.

Just flüchtete die Gans zu den Göttern, die die Schlachtung nun verwehrten und sprachen: „Ja, wir sind Götter. Die bösen Nachbarn werden die Strafe erleiden, die sie verdienen. Doch euch ist vergönnt, frei und ledig vom Unheil zu bleiben. Nur müsst ihr euer Haus verlassen, uns begleiten und mit uns zusammen die steile Höhe dort drüben ersteigen!“

Beide gehorchten und die Götter schritten voran. Sie folgten langsam und, alt wie sie waren auf Stäbe gestützt, erklommen sacht die ansteigende Höhe. Wie sie nur noch einen Pfeilschuss weit vom Gipfel des Berges entfernt waren, blickten sie sich um und sahen, dass die ungastlichen Häuser alle versunken waren. Suchend spähten sie nach dem First ihrer freundlichen Hütte.

Ihr Häuschen, das den mächtigen Göttern ein Obdach gewährt hatte, war noch da. Während sie staunend alles sahen und das Unglück der Ihren beklagten, verwandelte sich indessen das alte Gebäude, das selbst den Besitzern zu eng war, zum Tempel. Die Holzstützen waren zu Säulen geworden, das einstige rot-gelbe Strohdach schimmerte nun golden und es glänzten Marmorböden und prächtig getriebene Türen.

Alsdann sprach der Sohn des Saturn in friedlichen Worten: „Sagt, rechtschaffener Greis, und du, würdige Frau eines solchen Gemahls, was wünscht ihr?“ Philemon besprach sich kurz mit Baucis und teilte sodann den Himmlischen ihrer beider Entscheidung mit: „Priester wollen wir sein und euren Tempel behüten. Und da wir stets die Jahre in Eintracht gelebt haben, soll, wenn wir sterben, uns beide dieselbe Stunde treffen. Ich möchte nie das Grab meiner Gemahlin erblicken, noch sie ihres Gatten Begräbnis vollziehen!“

Sprach und der Wunsch war ihnen erfüllt. Sie waren die Hüter des Tempels, solange sie lebten. Und später, da standen sie vom Alter geschwächt einmal vor den heiligen Stufen und besprachen, was hier früher geschah, da sah Philemon, wie Baucis sich umlaubte, und Baucis sah an Philemon dasselbe. Und als schon über beider Gesichter der Wipfel empor wuchs, tauschten sie, solange es noch möglich war, folgende Worte: „Leb wohl, oh du mein Gatte!“ Beide riefen sie zugleich und zugleich verbarg und umhüllte das Laubwerk ihr Antlitz.

Noch jetzt zeigen Bewohner von Thynien Fremden die Stämme, die einst aus den beiden Körpern entstanden. Wahrheitsliebende Greise haben mir solches erzählt, was hätten sie mich täuschen sollen? Und wirklich, ich sah um die Äste Kränze geschlungen und sprach und befestigte ebenfalls neue Gebinde: „Fromme sind den Göttern wert! Ehre wird denen zuteil, die Ehre erweisen!“

Metamorphosen Ovid – Philemon und Baucis - Römische Sage 

Autor*in: Römische Sage

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    Lelex, ein Mann in Jahren und im Geiste gereift, erzählte folgendes: „Des Himmels Gewalt ist unendlich und grenzenlos. Was immer die Götter nur wollen, sogleich ist es vollendet. Hört, damit ihr nicht zweifelt! Es stehen auf dem phrygischen Hügel, von mittlerer Mauer umschlossen, nebeneinander Eiche und Linde. Ich selber sah den Ort, denn Pittheus sandte mich einstmals in die Gefilde des Pelops, die sein Vater früher regierte.