Oktober 2020 | AVENTIN Blog --

Das schwatzende Herz - Edgar Allan Poe

Das schwatzende Herz - Edgar Allan Poe - Novelle
Das schwatzende Herz 

Das schwatzende Herz - Edgar Allan Poe - Novelle 

Wahr ist es: nervös, entsetzlich nervös war ich damals und bin es noch. Warum aber müsst ihr durchaus behaupten, dass ich wahnsinnig sei? Mein nervöser Zustand hatte meinen Verstand nicht zerrüttet, sondern ihn geschärft, hatte meine Sinne nicht abgestumpft, sondern wachsamer gemacht. Vor allem hatte sich mein Gehörsinn wunderbar fein entwickelt. Ich hörte alle Dinge im Himmel und auf Erden. Ich hörte viele Dinge in der Hölle. Und das sollte Wahnsinn sein? Hört zu und merkt auf, wie sachlich, wie ruhig ich die ganze Geschichte erzählen kann.

Ich kann nicht sagen, wann der Gedanke mich zum ersten Mal überfiel. Er war urplötzlich da und verfolgte mich Tag und Nacht. Ein wichtiges Motiv war nicht vorhanden. Hass war nicht vorhanden. Ich liebte den alten Mann. Er hatte mir nie etwas zuleid getan. Er hatte mir nie eine Kränkung zugefügt. Nach seinem Geld trug ich kein Verlangen. Ich glaube, es war sein Auge. Ja, das war es! Eins seiner Augen glich vollständig dem Auge eines Geiers – ein blasses blaues Auge mit einem Häutchen darüber. Wann immer es mich anblickte, erstarrte mir das Blut. Und so – nach und nach – immer zwingender – setzte sich der Gedanke in mir fest, dem alten Mann das Leben zu nehmen und mich auf diese Weise für immer von dem Auge zu befreien.

Nun merkt wohl auf! Ihr haltet mich für verrückt. Verrückte erwägen nichts. Aber mich hättet ihr sehen sollen! Ihr hättet sehen sollen, wie klug ich vorging – mit wie viel Vorsicht – mit wie viel Umsicht – mit wie viel Heuchelei ich zu Werke ging! Ich war nie freundlicher zu dem alten Mann als während der ganzen Woche, bevor ich ihn umbrachte. Und jede Nacht gegen Mitternacht drückte ich auf seine Türklinke und öffnete die Tür – oh, so leise! Und dann, wenn der Spalt weit genug war, dass ich den Kopf hindurchstecken konnte, hielt ich eine verdunkelte, ganz geschlossene Laterne ins Zimmer; sie war ganz geschlossen, so dass kein Lichtschein heraus drang. Und dann folgte mein Kopf. Oh, ihr hättet gelacht, wenn ihr gesehen hättet, wie geschickt ich ihn vorstreckte! Ich bewegte ihn ganz langsam vorwärts, um nicht den Schlaf des alten Mannes zu stören. 

Ich brauchte eine Stunde dazu, den Kopf so weit durch die Öffnung zu schieben, dass ich den Alten in seinem Bett sehen konnte. Ha! wäre ein Wahnsinniger wohl so weise vorgegangen? Und dann, wenn ich meinen Kopf glücklich im Zimmer hatte, öffnete ich vorsichtig die Laterne – oh, so vorsichtig! Ganz sachte, denn die Scharniere kreischten, öffnete ich sie so weit, dass ein einziger feiner Strahl auf das Geierauge fiel. 

Und das tat ich sieben Nächte lang, jede Nacht gerade um Mitternacht. Aber ich fand das Auge immer geschlossen, und so war es unmöglich, das Werk zu vollenden; denn es war nicht der alte Mann, der mich ärgerte, sondern sein Scheelauge. Und jeden Morgen, wenn der Tag anbrach, ging ich kühn zu ihm hinein und sprach mit ihm. Ich nannte ihn munter und herzlich beim Namen und fragte ihn, ob er eine gute Nacht verbracht habe. Ihr seht also, er hätte wirklich ein sehr schlauer Mann sein müssen, um zu vermuten, dass ich allnächtlich um zwölf Uhr, während er schlief, zu ihm hinein sah.

In der achten Nacht ging ich beim Öffnen der Tür mit ganz besonderer Vorsicht zu Werk. Der Minutenzeiger einer Uhr rückt gewiss schneller voran, als damals meine Hand. Niemals vor dieser Nacht hatte ich die Größe meiner Macht, meines Scharfsinns so gefühlt. Ich konnte kaum meinen Triumph unterdrücken. Da war ich nun hier und öffnete ganz sacht, ganz allmählich die Tür – und ihm träumte nicht einmal von meinem geheimen Tun und Denken. Ich kicherte bei diesem Gedanken, und vielleicht hörte er mich, denn er rührte sich – wie erschreckt. Jetzt könntet ihr denken, ich sei zurückgefahren. Aber nein! Sein Zimmer war ganz dunkel, denn er hatte die Fensterläden aus Furcht vor Einbrechern fest geschlossen; es war pechschwarz. Und ich wusste also, dass er das Öffnen der Tür nicht sehen konnte, und ich fuhr fort, sie langsam, langsam aufzumachen.

Ich war mit dem Kopf im Zimmer und machte mich daran, die Laterne zu öffnen; da glitt mein Daumen an dem Blechverschluss ab, und der alte Mann schrak im Bett empor und schrie: »Wer ist da?«

Ich verhielt mich ganz still und sagte nichts. Eine volle Stunde lang rührte ich kein Glied, und in dieser ganzen Zeit hörte ich nicht, dass er sich wieder niederlegte. Er saß noch aufrecht im Bett und horchte – gerade so, wie ich Nacht um Nacht auf das Ticken der Totenuhren an den Stubenwänden gehorcht habe.

Da hörte ich ein leises Ächzen, und ich wusste, das war das Ächzen tödlichen Entsetzens. So stöhnte nicht Schmerz und nicht Kummer – oh nein! es war das Grauen! Das war der dumpfe, erstickte Laut, der aus den Tiefen der Seele kommt, wenn das Grauen sie gepackt hält. Ich kannte diesen Laut gut. In mancher Nacht, wenn alle Welt schlief, in mancher Mitternacht war er aus meiner eigenen Brust herauf gequollen und hatte mit seinem schrecklichen Klang das Entsetzen, das mich von Sinnen brachte, noch vermehrt.

Ich sage, ich kannte diesen ächzenden Laut gut. Ich wusste, was der alte Mann fühlte, und ich bemitleidete ihn, obschon ich innerlich kicherte. Ich wusste, dass er wach gelegen, schon seit dem ersten schwachen Geräusch, das ihn aufgeschreckt hatte. Seitdem war seine Angst von Minute zu Minute gewachsen. Er hatte versucht, sie als grundlos anzusehen, aber es gelang ihm nicht. Er hatte sich gesagt: »Es ist weiter nichts als der Wind im Schornstein«, oder: »Es ist nur eine Maus, die durchs Zimmer läuft«, oder: »Es ist nur eine Grille, die ein einziges Mal gezirpt hat.« Ja, er hatte versucht, sich mit diesen Vermutungen zu beruhigen; aber es war alles vergebens gewesen. Alles vergebens, weil der nahende Tod schon vor ihn hin getreten war und sein Opfer mit schwarzem Schatten umhüllte. Und die dunkle Gewalt des unsichtbaren Schattens war es, die ihn – obschon er weder sah noch hörte – fühlen ließ, dass mein Kopf im Zimmer war.

Nachdem ich lange Zeit sehr geduldig gewartet hatte, ohne doch zu hören, dass er sich wieder niederlegte, beschloss ich endlich, einen kleinen – einen winzig kleinen Spalt der Laterne zu öffnen. Ich begann also – ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie bedachtsam, wie leise – die Laterne zu öffnen, bis schließlich ein einziger matter, spinnfadenfeiner Strahl heraus drang und auf das Geierauge fiel.

Es war offen, weit offen, und ich wurde rasend, als ich daraufhin starrte. Ich sah es mit vollkommener Deutlichkeit: nichts als ein stumpfes Blau mit einem ekelhaften Schleier darüber. Ich erschauerte bis ins Mark. Aber ich konnte von des alten Mannes Gesicht und Gestalt nichts weiter sehen, denn ich hatte den Strahl wie instinktiv ganz genau auf die verfluchte Stelle gerichtet.

Und nun – habe ich euch nicht gesagt, dass das, was ihr für Wahnsinn haltet, nur eine Überfeinerung der Sinne ist? – nun, sage ich, vernahm mein Ohr ein leises, dumpfes, schnelles Geräusch, ein Geräusch wie das Ticken einer Uhr, die man mit einem Tuch umwickelt hat. Auch diesen Laut kannte ich gut. Es war des alten Mannes Herz, das so schlug. Es steigerte meine Wut, wie das Schlagen einer Trommel den Soldaten zu mutigerem Vorgehen anreizt.

Aber selbst jetzt bezwang ich mich und blieb still. Ich atmete kaum. Ich hielt die Laterne regungslos. Ich versuchte den Strahl so beständig wie möglich auf das Auge zu heften. Inzwischen steigerte sich das höllische Trommeln des Herzens. Es wurde jede Minute schneller und schneller und lauter und lauter. Das Entsetzen des alten Mannes muss furchtbar gewesen sein. Das Klopfen wurde lauter, sage ich, lauter von Minute zu Minute! – Hört ihr mich wohl? Ich habe euch gesagt, dass ich nervös sei, und das bin ich. Und nun, in so toter Nachtstunde, in diesem alten Hause, das so grauenhaft schweigsam war, erweckte dies eine seltsame Geräusch in mir ein maßloses Entsetzen. Doch noch einige Minuten länger bezwang ich mich und stand still. Aber das Klopfen wurde lauter und lauter! Ich dachte, das Herz müsse zerspringen. Und nun fasste mich eine neue Angst: das Geräusch könnte von einem Nachbarn vernommen werden!

Da war des Alten Stunde gekommen! Mit einem lauten Geheul riss ich die Blendlaterne auf und sprang ins Zimmer. Er schrie auf – nur ein einziges Mal! Im Augenblick zerrte ich ihn auf den Boden hinunter und zog das schwere Federbett über ihn. Dann lächelte ich, froh, die Tat so weit vollbracht zu sehen. Aber noch viele Minuten hörte ich den erstickten Laut des klopfenden Herzens. Das kümmerte mich jedoch nicht. Das konnte nicht durch die Wände hindurch gehört werden. Endlich hörte es auf. Der alte Mann war tot. Ich entfernte das Bett und untersuchte den Leichnam. Ja, er war tot – tot wie ein Stein. Ich legte ihm meine Hand aufs Herz und ließ sie minutenlang da liegen. Kein Pulsschlag war zu spüren. Er war endgültig tot. Sein Auge würde mich nicht mehr belästigen.

Solltet ihr mich noch immer für wahnsinnig halten, so werdet ihr eure Anschauung sicher ändern, wenn ich euch schildere, welch kluge Vorsichtsmaßregeln ich ergriff, um den Leichnam zu verbergen. Die Nacht schwand hin, und ich arbeitete eilig, aber in großer Stille.

Aus dem Fußboden des Zimmers hob ich drei Dielen heraus und bereitete darunter dem Toten sein Grab. Dann legte ich die Bretter wieder an Ort und Stelle. So geschickt, so sorgfältig tat ich dies, dass kein menschliches Auge – nicht einmal das seine – irgend etwas Auffallendes hätte bemerken können. Da gab es nichts wegzuwaschen – keinen Fleck irgendwelcher Art – nicht das kleinste Bluttröpfchen. Dafür war ich viel zu bedachtsam vorgegangen.

Als ich mit dieser Arbeit fertig war, war es vier Uhr – noch immer schwarz wie Mitternacht. Als die Turmuhr die Stunde anschlug, pochte es am Haustor. Ich ging leichten Herzens hinunter, um zu öffnen – denn was hatte ich jetzt zu fürchten? Es traten drei Männer herein, die sich sehr liebenswürdig als Polizeibeamte vorstellten. Ein Nachbar hatte in der Nacht einen Schrei vernommen; man hatte Verdacht gefasst, hatte dem Polizeiamt Mitteilung gemacht, und sie, die drei Beamten, waren abgesandt worden, um nach der Ursache zu forschen.

Ich lächelte – denn was hatte ich zu fürchten? Ich hieß die Herren willkommen. Den Schrei, sagte ich, hätte ich selbst ausgestoßen, in einem Traum. Der alte Mann sei abwesend, sei aufs Land gereist, bemerkte ich. Ich führte die Besucher durchs ganze Haus. Ich bat sie, sich umzusehen – gut umzusehen. Ich führte sie schließlich in sein Zimmer. Ich zeigte ihnen seine Wertsachen vollzählig und unberührt. Begeistert über meine Gewissensruhe brachte ich Stühle herbei und ersuchte die Herren, sich hier von ihrer Ermüdung zu erholen, während ich, im Bewusstsein meines vollständigen Sieges, voll ausgelassener Kühnheit meinen eigenen Stuhl genau dorthin stellte, wo unter den Dielen der Leichnam des Opfers ruhte.

Die Beamten waren zufrieden. Mein Benehmen hatte sie überzeugt. Ich war ungewöhnlich aufgeräumt. Sie saßen also, und während ich fröhlich Antwort gab, plauderten sie von privaten Angelegenheiten. Aber nicht lange, da fühlte ich, dass ich erbleichte, und ich wünschte sie fort. Mein Kopf schmerzte, und ich glaubte, Ohrensausen zu haben; aber noch immer saßen sie da und plauderten. Das Sausen wurde deutlicher – es hörte nicht auf und wurde immer deutlicher. Ich sprach noch unbefangener, um das seltsame Gefühl loszuwerden. Aber es blieb und nahm zu an Deutlichkeit – bis mir endlich klar wurde, dass das Geräusch nicht in den Ohren selbst war.

Zweifellos: jetzt wurde ich sehr bleich – aber ich redete noch eifriger und mit erhobener Stimme. Doch das Geräusch wurde lauter – und was konnte ich tun? Es war ein leises, dumpfes, schnelles Geräusch – ein Geräusch wie das Ticken einer Uhr, die man mit einem Tuch umwickelt hat. Ich rang nach Atem – und dennoch – die Beamten hörten es noch immer nicht. Ich sprach schneller – heftiger, aber das Geräusch wuchs beständig. Ich stand auf und redete gereizt und zornig; meine Stimme war schrill, und ich gestikulierte wild – aber das Geräusch wuchs beständig. 

Warum gingen sie denn nicht? Ich lief mit wuchtigen Schritten auf und ab, als ob mich die Reden der Männer in Wut gebracht hätten – aber das Geräusch nahm fortwährend zu. Oh Gott! Was konnte ich tun? Ich schäumte – ich raste – ich fluchte! Ich ergriff den Stuhl, auf dem ich gesessen, und kratzte damit auf den Dielen hin und her – aber das Geräusch erhob sich über alles und nahm fortgesetzt zu. Es wurde lauter – lauter – lauter! Und immer noch plauderten die Männer freundlich und lächelten. 

War es möglich, dass sie nicht hörten? Allmächtiger Gott! – nein, nein! Sie hörten! – sie argwöhnten! – sie wussten! Sie trieben Spott mit meinem Entsetzen! – Das war es, was ich dachte, und das denke ich noch. Aber alles andere war besser als diese Pein. Alles war erträglicher als dieser Hohn. Ich konnte dies heuchlerische Lächeln nicht länger ertragen. Ich fühlte, dass ich hinausschreien musste – oder sterben! – Und jetzt – wieder! – horch! lauter! lauter! lauter! lauter …!

»Schurken!« kreischte ich, »verstellt euch nicht länger! Ich bekenne die Tat! – Reißt die Dielen auf! – Hier, hier! – Es ist das Schlagen dieses fürchterlichen Herzens.«

Das schwatzende Herz - Edgar Allan Poe - Novelle Angst

Autor: Edgar Allan Poe

Bewertung des Redakteurs:

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    Wahr ist es: nervös, entsetzlich nervös war ich damals und bin es noch. Warum aber müsst ihr durchaus behaupten, dass ich wahnsinnig sei? Mein nervöser Zustand hatte meinen Verstand nicht zerrüttet, sondern ihn geschärft, hatte meine Sinne nicht abgestumpft, sondern wachsamer gemacht.

    Yearning tanzen - Hermann Hesse

    Yearning tanzen – Hermann Hesse - Leben
    Yearning tanzen  

    Yearning tanzen – Hermann Hesse - Leben

    Ich tanzte zwei Stunden oder länger immerzu, jeden Tanz, auch Tänze, die ich nie gelernt hatte.

    Ein Erlebnis, das mir in fünfzig Jahren unbekannt geblieben war, obwohl jeder Backfisch und Student es kennt, wurde mir in dieser Ballnacht zuteil: das Erlebnis des Festes, der Rausch der Festgemeinschaft, das Geheimnis vom Untergang der Person in der Menge, von der Unio mystica der Freude.

    Oft hatte ich davon sprechen hören, jeder Dienstmagd war es bekannt, und oft hatte ich das Leuchten in den Augen der Erzählenden gesehen und hatte immer halb überlegen, halb neidisch dazu gelächelt.

    Jenes Strahlen in den trunkenen Augen eines Entrückten, eines von sich selbst Erlösten, jenes Lächeln und halb irre Versunkensein dessen, der im Rausch der Gemeinschaft aufgeht, hatte ich hundertmal im Leben an edlen und an gemeinen Beispielen gesehen.

    Ich hatte es gesehen an besoffenen Rekruten und Matrosen ebenso wie an großen Künstlern, etwa im Enthusiasmus festlicher Aufführungen, und nicht minder an jungen Soldaten, die in den Krieg zogen, und noch in jüngster Zeit hatte in dies Strahlen und Lächeln des glücklich Entrückten bewundert, geliebt, bespöttelt und beneidet an meinem Freund Pablo, wenn er selig im Rausch des Musizierens im Orchester über seinem Saxophon hing oder dem Dirigenten, dem Trommler, dem Mann mit dem Banjo zuschaute, entzückt, ekstatisch.

    Solch ein Lächeln, solch ein kindhaftes Strahlen, hatte ich zuweilen gedacht, sei nur ganz jungen Menschen möglich oder solchen Völkern, die sich keine starke Individuation und Differenzierung der einzelnen gestatteten.

    Aber heute, in dieser gesegneten Nacht, strahlte ich selbst, der Steppenwolf Harry, dies Lächeln, schwamm ich selbst in diesem tiefen, kindhaften, märchenhaften Glück, atmete ich selbst diesen süßen Traum und Rausch aus Gemeinschaft, Musik, Rhythmus, Wein und Geschlechtslust, dessen Lobpreis im Ballbericht irgendeines Studenten ich einst so oft mit Spott und armer Überlegenheit mit angehört hatte.

    Ich war nicht mehr ich, meine Persönlichkeit war aufgelöst im Festrausch wie Salz im Wasser. Ich tanzte mit dieser oder jener Frau, aber nicht nur sie war es, die ich im Arm hatte, deren Haar mich streifte, deren Duft ich einsog, sondern alle, alle die anderen Frauen mit, die im selben Saal, im selben Tanz, in derselben Musik wie ich schwammen und deren strahlende Gesichter wie große fantastische Blumen mir vorüber schwebten, alle gehörten mir, allen gehörte ich, alle hatten wir aneinander teil.

    Und auch die Männer gehörten dazu, auch in ihnen war ich, auch sie waren mir nicht fremd, ihr Lächeln das meine, ihr Werben das meine, meines das ihre.

    Ein neuer Tanz, ein Foxtrott, eroberte sich in jenem Winter die Welt, mit dem Titel »Yearning«. Dieser Yearning wurde einmal ums andere gespielt und immer neu begehrt, alle waren wir von ihm durchtränkt und berauscht, alle summten wir seine Melodie mit.

    Ich tanzte ununterbrochen, mit jeder Frau, die mir eben in den Weg lief, mit ganz jungen Mädchen, mit blühenden jungen Frauen, mit sommerlich vollreifen, mit wehmütig verblühenden: von allen entzückt, lachend, glücklich, strahlend.

    Und als Pablo mich so strahlend sah, mich, den er immer als einen sehr beklagenswerten armen Teufel angesehen hatte, da blitzten seine Augen mich glückselig an, er stand begeistert von seinem Orchesterstuhl auf, stieß heftig in sein Horn, stieg auf den Stuhl, stand oben und blies mit vollen Backen und wiegte sich und sein Instrument dazu wild und selig im Takt des Yearning, und ich und meine Tänzerin warfen ihm Kusshände zu und sangen laut mit.

    Ach, dachte ich zwischenein, mag mit mir geschehen, was da wolle, einmal bin doch auch ich glücklich gewesen, strahlend, meiner selbst entbunden …

    Yearning tanzen – Story von Hermann Hesse - Leben

    Autor: Hermann Hesse

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      Ich tanzte zwei Stunden oder länger immerzu, jeden Tanz, auch Tänze, die ich nie gelernt hatte.

      Weisheit in 5 Kapiteln - Sogyal Rinpoche

      Weisheit in 5 Kapiteln – Sogyal Rinpoche
      Weisheit in 5 Kapiteln 

      Weisheit in 5 Kapiteln – Sogyal Rinpoche 

      Ich gehe die Straße entlang
      Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
      Ich falle hinein.
      Ich bin verloren.
      Ich bin ohne Hoffnung.
      Es ist nicht meine Schuld.
      Es dauert endlos, wieder herauszukommen.

      Ich gehe dieselbe Straße entlang.
      Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
      Ich tue so, als sähe ich es nicht.
      Ich falle wieder hinein.
      Ich kann nicht glauben, wieder am selben Ort zu sein.
      Aber es ist nicht meine Schuld.
      Immer noch dauert es lange, herauszukommen.

      Ich gehe dieselbe Straße entlang.
      Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
      Ich sehe es.
      Ich falle immer noch hinein.
      Aus Gewohnheit.
      Mein Augen sind offen.
      Ich weiß, wo ich bin.
      Es ist meine eigene Schuld.
      Ich komme sofort heraus.

      Ich gehe dieselbe Straße entlang.
      Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
      Ich gehe darum herum.

      Ich gehe eine andere Straße.


      Weisheit in 5 Kapiteln – Sogyal Rinpoche - Leben

      Autor: Sogyal Rinpoche

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        Ich gehe die Straße entlang Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich falle hinein. Ich bin verloren. Ich bin ohne Hoffnung. Es ist nicht meine Schuld.

        Pythagoras goldene Lehre – Ernährung

         
        Pythagoras goldene Lehre – Ernährung
        Pythagoras 

        Pythagoras goldene Lehre – Ernährung 

        Haltet ein oh Sterbliche den Leib mit unreinem Geschmaus zu besudeln! Ihr habt ja Getreide und Obst an den Bäumen, nieder gebeugt von der Last der üppigen Früchte. Und saftige Trauben am Weinstock habt ihr und wohl schmeckende Kräuter.

        Nicht mit Mord und blutigen Händen bereitet die Mahlzeit. Nur Raubtiere stillen den Hunger mit Fleisch. Oh, welch schreckliche Tat, Leiber der Tiere im menschlichen Leib zu begraben, gefräßig zu sein und mit Mengen von Fleisch euch zu mästen, Lebendes mit Totem zu nähren.

        Undankbarer, du bist nicht wert der Gaben der Ernte, der du den Ackergenossen, befreit von der Bürde des Pfluges, führst zum blutigen Schlachten.

        Wer mit dem Messer, des Rindes Gurgel trennt und beim Brüllen der Angst taub bleibt und gefühllos, wer kaltblütig, das ganz wie Kinder schreiende Böcklein abzuschlachten vermag und den Vogel verspeist, dem er selbst das Futter gereicht – – – wie weit ist ein solcher noch entfernt vom Verbrechen?

        Möge das Schaf die Wolle uns geben, es reiche willig die Ziege das Euter zum Melken, lasst arbeiten den Stier, doch den Tod geb ihnen das Alter.

        Tötet das schändliche Tier, doch dabei lasst es bewenden. Rührt sein Fleisch nicht an. Nährt euch von milderer Speise!

        Pythagoras goldene LehreErnährung - Aphorismus

        Autor: Pythagoras

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          Haltet ein oh Sterbliche den Leib mit unreinem Geschmaus zu besudeln! Ihr habt ja Getreide und Obst an den Bäumen, nieder gebeugt von der Last der üppigen Früchte. Und saftige Trauben am Weinstock habt ihr und wohl schmeckende Kräuter.

          Der Rabe und seine Jungen - Leo Tolstoi

          Der Rabe und seine Jungen - Leo Tolstoi
          Der Rabe und seine Jungen 

          Der Rabe und seine Jungen - Leo Tolstoi - Fabel Wahrheit 

          Auf einer Insel, mitten im Meer, baute ein Rabe sein Nest. Die Insel war klein, und als seine Jungen aus den Eiern geschlüpft waren, fand er nach einziger Zeit nicht mehr genug Futter für sich und die Seinen. Er beschloss daher, zum Festland zurückzukehren.

          Der Rabe fasste das erste der Jungen mit seinen Krallen und flog mit ihm über das Meer. Doch der Weg war weit, und der Rabe wurde sehr müde. Immer tiefer sank er hinab, und immer langsamer schlug er mit seinen Flügeln.

          »Ich bin stark, und mein Junges ist schwach«, dachte er, »aber wenn es groß und kräftig ist, werde ich alt und schwach sein. Wird es sich dann erinnern, dass ich es einmal über das Meer getragen habe?«

          Und der Rabe fragte den jungen Raben: »Wenn ich alt und schwach sein werde und du groß und stark bist, wirst du mich pflegen und von Platz zu Platz tragen? Sag mir die Wahrheit!«

          Der junge Rabe antwortete schnell und ohne zu überlegen: »Ich will es tun, Vater«, denn er hatte Angst, dass ihn der alte Rabe hinunter ins Meer fallen lassen würde.

          Der Rabe flog also weiter, aber je weiter er flog, desto müder wurde er. »Mein Sohn hat nicht die Wahrheit gesprochen«, dachte er und öffnete seine Krallen und ließ ihn fallen. Wie ein Stein fiel der junge Rabe hinunter in die Wellen und ertrank sofort. Der alte Rabe flog zurück auf die Insel.

          Als er gerastet hatte und sich wieder stark fühlte, nahm er seinen zweiten Sohn und flog mit diesem übers Meer. Doch wieder wurde er müde, so müde, dass er kaum noch mit den Flügeln schlagen konnte.

          Da stelle er die gleiche Frage an seinen zweiten Sohn, und auch dieser antwortete, ohne zu überlegen, aus Furcht, ertränkt zu werden. »Ich will es tun, Vater!«

          Doch sein Vater glaubte ihm nicht, und als ihn seine Kräfte verließen, öffnete er seine Krallen, und auch der zweite Sohn ertrank im Meer. 

          Im Nest auf der Insel lag nur noch ein einziger junger Rabe. Der alte Rabe nahm seinen letzten Sohn und flog mit ihm über das Meer. Weitab von der Insel und noch fern vom Festland, war der alte Rabe wieder so erschöpft, dass er kaum noch mit den Flügeln schlagen konnte.

          »Sohn«, fragte er, »wirst du mich füttern und pflegen, wenn ich alt bin?«
          »Nein, Vater, das werde ich nicht tun«, antwortete der junge Rabe.
          »Und warum nicht?« fragte der Alte.
          »Wenn du alt bist und ich erwachsen bin, werde ich mein eigenes Nest und meine eigenen Jungen haben, die ich füttern und pflegen muss.«

          »Er spricht die Wahrheit«, dachte der alte Rabe, »er wird ein Nest bauen und seine eigenen Jungen aufziehen.«

          Mit letzter Kraft stieg er wieder höher, schlug mit den Flügeln und trug seinen letzten Sohn über die weiten, weiß schämenden Wellen sicher zum Festland.

          Der Rabe und seine Jungen - Leo Tolstoi - Fabel Wahrheit

          Autor: Leo Tolstoi

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            Auf einer Insel, mitten im Meer, baute ein Rabe sein Nest. Die Insel war klein, und als seine Jungen aus den Eiern geschlüpft waren, fand er nach einziger Zeit nicht mehr genug Futter für sich und die Seinen. Er beschloss daher, zum Festland zurückzukehren.

            Mimik verstehen - R.M.F - Alltagspsychologie

            Mimik verstehen – R.M.F – Alltagspsychologie
            Mimik verstehen 

            Mimik verstehen – R.M.F – Alltagspsychologie 

            Mit der Tatsache, dass jede Seele ihre Erlebnisse zu körperlichem Ausdruck bringt, ist indessen keineswegs erwiesen, dass dieser Ausdruck auch von anderen verstanden wird.

            Das Gegenteil ist der Fall. Es muss darauf hingewiesen werden, dass bedeutsame seelische Äußerungen vielfach gar nicht beachtet werden. Ja, es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der gelehrte Kulturmensch seine Gelehrsamkeit oft um den Preis einer instinktiven Beobachtungsfähigkeit erkauft, also dass im allgemeinen Gelehrte schlechte Menschenkenner sind.

            Die besten Beobachter mimischer Kundgebungen sind nicht sehr intellektuelle Köpfe, sondern alle instinkthaft lebenden Wesen, Naturmenschen aller Art.

            Ja, sogar Tiere sind oft den gebildeten Menschen sehr überlegen. Dafür gibt die Geschichte der neueren Psychologie ein lustiges Beispiel. Erinnert man sich des ‘klugen Hans’, jenes Pferdes des Herrn von Osten, das in Berlin gezeigt wurde, weil es das Einmaleins und einige andere Wissenschaften beherrschte?

            Man stellte dem Pferd Rechenaufgaben, und durch Klopfen mit dem Vorderhuf gab das Tier das Ergebnis in der Regel richtig an. Verblüfft staunten Gelehrte mehrerer Fakultäten das ‘denkende’ Tier an, das scheinbar aufmerksam die Aufgabe anhörte und dann unmittelbar die Lösung klopfte.

            Ein wenig peinlich war nur, dass der Versuch misslang, wenn der Fragesteller hinter einem Vorhang stand. Das führte endlich zur Lösung des Rätsels, Schwindel war nicht dabei, aber rechnen konnte das Tier auch nicht. Der kluge Hans verdiente seinen Namen nicht wegen seiner mathematischen Begabung, in dieser Hinsicht war er ein absolut dummer Hans.

            Und doch war er in anderer Hinsicht klüger als die meisten bebrillten Herren, die seine Klugheit, leider an falscher Stelle, bewundert hatten. Denn das Pferd rechnete nicht, wohl aber war es ein glänzender physiognomischer Beobachter, der seinen Interviewern genau vom Gesicht ablas, wenn es mit Klopfen aufzuhören hatte!

            Das lustigste an der ganzen Geschichte war, dass alle diese Herren, die die Klugheit des Pferdes examinieren wollten, selbst gar nicht gemerkt hatten, dass sie dem Tier selbst die Zeichen gaben, dass es der eigene Geist der Wissenschaftler war, der sich im Geist des Pferdes spiegelte!

            Wir Menschen geben unablässig Zeichen von uns, ob wir wollen oder nicht. Und diese Zeichen werden nicht durch den Verstand erfasst, sondern ‘instinkthaft’, wie man zu sagen pflegt. Eine gewisse Zurückdrängung des Verstandes ist sogar notwendig; ein Sichhingeben, eine Art leichter Hypnose und ähnliche Zustände machen besonders empfänglich für die Aufnahme solcher Zeichen.

            Man kennt das »Willing-Game«, ein beliebtes Gesellschaftsspiel, in dem jemand das Zimmer verlassen muss mit der Weisung, später, wieder hereingerufen, das auszuführen, was die anderen hinter seinem Rücken beschlossen und nun ohne Worte durch den ‘reinen’ Willen ihm befehlen.

            Diese verabreden etwa, der Hinausgeschickte solle zu einem Tisch gehen und auf dem dort stehenden Leuchter die Kerze entzünden. Alle Beteiligten haben nur die Aufgabe, schweigend aber intensiv an das zu denken, was die hinausgeschickte Person nach ihrer Rückkehr ausführen soll.

            Und es gelingt, es gelingt in den meisten Fällen, besonders dann, wenn die Versuchsperson recht wenig reflektiert, sondern sich gleichsam willenlos den Signalen überlässt, mit denen die ganze Gesellschaft sie, ohne es zu merken, überschüttet.

            Gedankenübertragung? Nun ja, wenn man sich klar ist, dass die meisten Gedanken ihre Bewegungskomponenten haben. Und dass diese Bewegungen, nicht der Gedanke selbst, sich übertragen!

            Es ist also grundsätzlich nicht wunderbarer, als wenn der Gedanke durch die Bewegung des Kehlkopfes und den damit verbundenen Laut, also die Sprache, wirkt. Zu verwundern ist höchstens, dass die meisten Menschen gar nicht wissen, dass sie beständig diese Sprache ohne Worte reden und dass sie sie dennoch verstehen, ‘verstehen’ ohne ihren ‘Verstand’ dabei zu bemühen. Die Gedankenübertragung ist in Wahrheit Bewegungsübertragung.

            Wie geht dieses Verstehen vor sich? Wenn wir sagen instinkthaft, so ist das nur ein Wort, um die negative Tatsache, dass nicht der Verstand dabei beteiligt ist, festzustellen. Positiver wird die Erkenntnis erst, wenn wir wissen, dass wir auf jene Bewegungen stets selbst durch Bewegungen reagieren, die ebenso fein und ebenso leise sind wie jene, auf die reagiert wird.

            Der erwachsene Mensch ist, um das festzustellen, kein geeignetes Objekt; aber man beobachte Kinder und man wird staunen, in welchem Grad sich alles seelische Leben in Bewegungen umsetzt und wie sie auf Bewegungen stets durch Nachahmungs- oder Gegenbewegungen reagieren.

            Wenn Kinder Bilder betrachten, so führen sie fortwährend Bewegungen aus, sie deuten, reagieren, ahmen nach und verstehen auf Grund dieser Motorik. Und wenn wir bei Erwachsenen ganz intensiv die Bewegungen beobachten, etwa die Bewegungen eines Schauspielers oder Kapellmeisters, so werden wir bei genauer Selbstbeobachtung merken, dass auch wir jene Bewegungen, wenigstens andeutend, mitmachen.

            Diese ‘innere Nachahmung’, wie man das genannt hat, gibt den Schlüssel zum Verständnis unseres Problems; denn wir verstehen fremden Ausdruck nicht, weil wir ihn d e n k e n , sondern wir ihn nachahmen, spielen oder mimen.

            Unser Körper ist nicht nur ein unendlich feines Instrument, in dem sich das eigene Seelenleben in Bewegungen ausdrückt; es ist ein nicht minder feines Instrument, um fremde Ausdrucksbewegungen nachahmend widerzuspiegeln. 

            Wie, um einen schon gebrachten Vergleich zu wiederholen, eine Harfe nicht nur selbst Schwingungen und Töne erzeugen kann, sondern auch gleichstimmige Schwingungen und Töne auffängt und mitklingen lässt, so verhält sich auch unser Körper, nur noch in weit aktiverer Weise, indem er nicht nur mitreagiert, sondern auch gegenreagiert.

            Und wie die vom Ich selbst verinnerlichten Bewegungen, nach unseren früheren Darlegungen, nicht bloß Folge, sondern selbst ‘Träger’ von seelischen Stimmungen sind, so lösen auch diese ‘widergespiegelten’ Bewegungen Erlebnisse auf der Bewusstseinsebene aus, die wir in den anderen ‘einfühlen’.

            Wie wunderbar fein aber dieses Erfassen fremder Stimmungen ist, das weit hinaus geht über allen Verstand, macht man sich in der Regel nicht klar. 

            Man versetze sich im Geist in ein Theater, aus dessen Kulissen eine Person tritt, von der wir gar nichts wissen, und die wir doch nach wenigen Sekunden instinkthaft so genau kennen, dass wir sofort merken, wenn eine Geste ‘falsch’ ist oder ein Wort in unrechtem Ton gesprochen wird!

            Nicht der Verstand sagt uns das, sondern die instinkthafte Einfühlung, die wir als körperliche Resonanz zu begreifen haben. Und es geht weit über alles Vermögen des Verstandes hinaus, dass wir aus einer Geste, einem Blick oder einem Lächeln den ganzen Charakter eines Menschen herauslesen!

            Mimik verstehen – R.M.F – Alltagspsychologie

            Autor: R.M.F

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              Mit der Tatsache, dass jede Seele ihre Erlebnisse zu körperlichem Ausdruck bringt, ist indessen keineswegs erwiesen, dass dieser Ausdruck auch von anderen verstanden wird. Das Gegenteil ist der Fall.

              Eifersucht bringt Unglück - Krimi

              Eifersucht bringt Unglück - Krimi von Michel Arrondel
              Eifersucht 

              Eifersucht bringt Unglück - Krimi von Michel Arrondel 


              In einer kleinen Stadt geschah vor einiger Zeit ein schreckliches Verbrechen: Es starb eine Frau namens Marie und ihr Kind wurde entführt, doch das Kind blieb unbekannt, denn keiner wusste, wie das Baby hieß. 

              Am Tatort fand man einen bewusstlosen Mann, der am Boden lag. Ein Krankenwagen nahm ihn mit ins Krankenhaus. Dort wachte der Mann auf und gab an, er heiße Splinter. Der Arzt fragte ihn, ob er etwas gesehen habe, doch Splinter erwiderte: „Nein, ich kann mich an nichts erinnern.“ 

              Zwei Stunden später kam ein Inspektor namens Jocob, er befragte Splinter noch einmal ausführlich und geduldig – und plötzlich erinnerte er sich wieder. Er meinte, dass er sich mit seinem besten Freund Saruka, der vor 5 Jahren aus Uganda nach Deutschland gekommen war, gestritten habe wegen seiner Frau namens Marie und wegen des Babys. Dann erwähnte er, dass sie gekämpft hatten. 

              Aber Splinter wusste nicht, wie oder woran seine Frau starb, denn während der Auseinandersetzung wurde ihm von hinten ein Stück Holz über den Kopf gezogen. Als er wieder zu sich kam, sei er bereits im Krankenhaus gewesen. Inspektor Jocob bedankte sich und ging. Er befragte weitere Personen und kam zu dem Schluss, dass sich drei Personen verdächtig gemacht hatten: eine hieß Lucy, des weiteren Splinters Bruder Mark und sein Bekannter Sell.

              Lucy behauptete, dass sie an diesem Tag nicht anwesend gewesen war, aber sie meinte, dass sie mitbekommen habe, dass das Baby jetzt bei Splinters Bruder wäre. Der Inspektor ging zu Mark, aber dieser wollte sich dazu nicht äußern, er meinte, dass er kein Baby habe, er sei allein bei sich zu Hause. 

              Jocob ging zum Tatort und suchte nach Beweisen. Nach langem Stöbern fand er eine Handyhülle, auf der eine seltsame Nummer stand:12 21 3 25. Er wusste nicht, was das bedeutete, deshalb ging er zu Splinter und fragte ihn danach. Splinter erklärte, dass Saruka, Lucy, Sell und er selbst aus Nummern Buchstaben gemacht hätten, so dass niemand ihre Botschaften verstünde. 

              Inspektor Jocob fragte Splinter, ob er den Code lösen könne, er antwortete: „Ja, na klar, die 12 steht für ein L, die 21 für ein U, die 3 für ein C und die 25 für ein Y. Da stand der Inspektor auf, verabschiedete sich und ging nach Hause. Er hatte eins und eins zusammen gezählt und die Lösung hieß: Lucy.

              Am nächsten Morgen fragte der Inspektor Lucy, ob sie einen festen Freund hätte, und sie gab zu, dass sie mit Mark zusammen sei. Danach ging Jocob zu Mark und befragte ihn nach seinem Alibi. Mark behauptete, er wäre mit Lucy für zwei Tage nach Brüssel gereist. Der Inspektor war sich nun fast sicher, dass es Lucy oder Mark gewesen waren, aber beim Reisebüro an der Ecke erfuhr er, dass die beiden wirklich nach Brüssel in den Urlaub gefahren waren. Also konnte es nur Sell gewesen sein.

              Am nächsten Tag ging der Inspektor zu Sell und befragte ihn zu seinem Alibi. Sell wollte dazu nichts sagen, jedoch hörte der Inspektor nach fünf Minuten im Nachbarzimmer ein Baby weinen. Da ging er nachsehen und erblickte das kleine Mädchen. Bei ihm war Splinters Freund Saruka. Der Inspektor wunderte sich, weshalb er ein Baby hatte ohne eine Frau oder Freundin zu haben und fragte danach. Plötzlich ergriff hinter ihm Sell die Flucht, er rannte durch den Garten auf die Straße, griff nach seinem Fahrrad und fuhr los. 

              Jocob rannte ihm hinterher, so schnell er konnte. In einer Kurve stürzte Sell, der Inspektor konnte ihn fangen und rief auf dem Polizeirevier an. Dort verhörte der Inspektor Sell, dieser wollte ihm aber nichts sagen. Da schickten seine Kollegen Splinter herein, der wollte mit Sell alleine reden. 

              Sell gestand, dass er Saruka angestiftet hatte Splinters und Maries Kind zu entführen und es ihm zu geben, aber dann hatte Splinter ihn dabei erwischt und deshalb musste er das Haus anzünden, um seine Spuren zu verwischen. Dabei konnte er unglücklicherweise nur noch das Baby retten, aber nicht die Frau. Splinter fragte, weshalb er so etwas Grauenhaftes getan hatte. Sell bekannte, dass er aus Eifersucht gehandelt habe und Saruka war ihm zu Diensten gewesen, weil er zurück nach Uganda zu seinen Eltern wollte, aber nicht genügend Geld hatte. 

              Sell hatte ihm versprochen, ihm das Flugticket zu bezahlen, wenn er für ihn das Baby entführte. “Du hattest deine kleine Familie und hast mich vergessen“, meinte Sell. Aber Splinter schüttelte den Kopf: „Wir wollten dich abholen und mit dir zusammen sein, aber du warst nicht da, sondern unterwegs um zu feiern. Splinter fragte stockend: „Wie ist Marie gestorben?“ Sell erwiderte leise: „Sie ist verbrannt.“ 

              Splinter holte nun den Inspektor herein, der durch eine Glasscheibe das Gespräch verfolgt hatte, dann musste er wieder zurück ins Krankenhaus. Sell wurde vor Gericht zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt - wegen Kindesentführung und wegen Mordes.

              Eifersucht bringt Unglück - Kriminalstory von Michel Arrondel - Story

              Autor: Michel Arrondel

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                In einer kleinen Stadt geschah vor einiger Zeit ein schreckliches Verbrechen: Es starb eine Frau namens Marie und ihr Kind wurde entführt, doch das Kind blieb unbekannt, denn keiner wusste, wie das Baby hieß.

                Klarheit und Wahrheit - Hermann Hesse

                Klarheit und Wahrheit - Hermann Hesse - Gedanken
                Klarheit und Wahrheit  

                Klarheit und Wahrheit - Hermann Hesse - Gedanken  

                Klarheit und Wahrheit sind Worte, die man sehr oft nebeneinander nennen hört, beinahe so, als bedeuteten sie ungefähr das gleiche. Und doch bezeichnen sie so ganz verschiedene Dinge!

                Selten, sehr selten ist die Wahrheit klar, noch seltener ist die Klarheit wahr!

                Wahrheit ist fast immer kompliziert, dunkel und vieldeutig — jedes Wort, besonders das »klare« Wort, tut ihr schon Gewalt an.

                »Klarheit« ist immer schon Gewalt, ist gewaltsamer Versuch, das Vielfache zu vereinfachen, das Natürliche als verständlich, ja als verständig erscheinen zu lassen.

                Klarheit ist die Tugend der Sentenzen.

                Sentenzen sind hübsch, sind wertvoll, sind erzieherisch, geistvoll und aufschlussreich — nur wahr sind sie nicht!

                Denn von jeder Sentenz ist auch das Gegenteil wahr!

                Klarheit und WahrheitHermann HesseGedanken - Essay

                Autor: Hermann Hesse

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                  Klarheit und Wahrheit sind Worte, die man sehr oft nebeneinander nennen hört, beinahe so, als bedeuteten sie ungefähr das gleiche. Und doch bezeichnen sie so ganz verschiedene Dinge! Selten, sehr selten ist die Wahrheit klar, noch seltener ist die Klarheit wahr!

                  Das Pferd und der König - Allegorie

                  Das Pferd und der König - Allegorie - Johann G. Herder - Um des Namens willen
                  Das Pferd und der König  

                  Das Pferd und der König - Allegorie - Johann G. Herder - Um des Namens willen 


                  Ein König im fernen Land hatte ein schönes Pferd, welches er besonders liebte. Durch ein Versehen des Stallknechts aber starb das Pferd. Der König war darüber so zornig geworden, dass er eine Lanze ergriff um den Knecht damit zu durchbohren. 

                  Glücklicherweise war sein Kanzler zugegen, der dem König folgendes sagte: "König, bald wäre dieser Mensch des Todes gewesen, ohne aber von der Größe seines Verbrechens überzeugt zu sein. Findest du das richtig so?" 

                  "Überzeuge ihn also," sprach der König. 

                  Da ergriff der Kanzler die Lanze, wendete sich dem Knecht zu und sprach:

                  "Kind des Unglücks! Siehe, das sind deine Verbrechen; höre sie sorgsam an. Zuerst bist du schuldig am Tod des Pferdes, dessen Verpflegung dir der König aufgetragen hatte."

                  "Für's andere bist du schuldig, dass der König, mein Herr, wegen des verstorbenen Pferdes sich so entrüstet hat, dass er selbst Hand an dich legen wollte."

                  "Siehe, das ist ein weiteres Verbrechen, noch größer als das vorige."

                  "Endlich muss es auch das ganze Land mit allen umliegenden Gegenden erfahren, dass der König, mein Herr, um eines Pferdes willen einen Menschen getötet hat. Dadurch verliert er zusätzlich auch noch seinen guten Namen!"

                  "Siehe, du Unglückssohn, das ist dein größtes Verbrechen! So viel andere Dinge zieht deine Schuld nach sich! Erkennst Du es nun?" 

                  "Oh lass ihn gehen!" rief da der König. "Um seinetwillen will ich meinen guten Namen sicherlich nicht verlieren. Ihm sei vergeben!"

                  Das Pferd und der König | Um des Namens willen | Johann Gottfried Herder | Märchen

                  Autor: Johann Gottfried Herder

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                    Ein König im fernen Land hatte ein schönes Pferd, welches er besonders liebte. Durch ein Versehen des Stallknechts aber starb das Pferd. Der König war darüber so zornig geworden, dass er eine Lanze ergriff um den Knecht damit zu durchbohren.

                    Die Biene und die Taube - Gedicht

                    Die Biene und die Taube - Gedicht  Christian Friedrich Michaelis
                    Die Biene und die Taube 

                    Die Biene und die Taube - Gedicht 

                    Christian Friedrich Michaelis  

                    Eine Biene fiel in einen Bach,
                    Dies sah von oben eine Taube,
                    Und brach ein Zweiglein von der Laube
                    Und warf's ihm zu. Die Biene schwamm danach
                    Und half sich glücklich aus dem Bach.

                    Nach kurzer Zeit saß unsre Taube
                    In Frieden wieder auf der Laube.
                    Ein Jäger hatte schon den Hahn auf sie gespannt.
                    Die Biene kam und stach ihn in die Hand,
                    Puff! Da ging der Schuss daneben.
                    Die Taube flog davon - Wem dankte sie ihr Leben?

                    Lehre: Eine Hand wäscht die andere!


                    Die Biene und die Taube - Christian Friedrich Michaelis - Gedicht Hilfe

                    Autor: Christian Friedrich Michaelis

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                      Eine Biene fiel in einen Bach, dies sah von oben eine Taube, und brach ein Zweiglein von der Laube und warf's ihm zu. Die Biene schwamm danach und half sich glücklich aus dem Bach.

                      Unterhaltung mit Freunden - Sprache

                      Unterhaltung mit Freunden – Peter Bichsel – Sprache
                      Unterhaltung mit Freunden 

                      Unterhaltung mit Freunden – Peter Bichsel – Sprache 


                      Es gibt Tage, die haben keine Gelegenheit stattzufinden. Sie sind dadurch gelähmt, dass man heute nichts tun kann, weil noch so viel zu tun wäre — morgen, übermorgen oder nächste Woche. Man kann jetzt nichts tun, weil viel anderes dringender zu tun wäre, und nicht alles, was morgen zu tun ist, kann man heute schon tun.

                      Einmal habe ich am Ende eines solchen langen, langen Tages zwei gute Freunde getroffen. Zwei von jenen Freunden, die man selten sieht, oft monate- oder jahrelang nicht, und an die man immer denkt, nach denen man sich immer wieder erkundigt und sich vornimmt, sie anzurufen. Wir setzten uns in die Abendsonne und redeten und redeten.

                      Der Tag wurde doch noch zu etwas, zu einem Augenblick, zu einem langen Augenblick. Ich stellte beim Nachhausegehen fest, dass ich doch noch gern lebe!

                      Ich erzählte meiner Frau von der beglückenden Begegnung, und sie wollte wissen, wie es den beiden denn gehe. Zu meiner Überraschung wusste ich es nicht. Dann wollte sie wissen, was sie denn erzählt hätten. Das wusste ich zwar noch — das Gespräch war mir wichtig und hatte mich beglückt –, aber nun war es plötzlich nicht mehr erzählenswert.

                      Zwar wusste ich noch, wovon wir gesprochen hatten, aber ich hätte nur den Inhalt des Gesprächs wiedergeben können, und hätte ich es getan, ich hätte mir selbst die Freude an jener Begegnung verdorben.

                      Warum kann man das später nicht erzählen? Ganz einfach: Eben weil es nicht erzählbar ist!

                      Ich habe zwei Bücher bekommen, auf denen mein Name steht und die ich nicht lesen kann — eines auf dänisch, eines auf koreanisch. Selbstverständlich freue ich mich, bin ein wenig stolz darauf, und weil ich sie nicht lesen kann, bleibt mir nicht anderes übrig, als sie ein bisschen zu streicheln.

                      Aber irgendwie sind mir die beiden Bücher peinlich. Ich fürchte, dass sie vielleicht nur übersetzt sind, dass darin nur wiedergegeben ist, was ich geschrieben habe. Ich nehme zwar an, dass der Übersetzer sich über meinen Text gefreut hat — so wie ich mich über das Gespräch gefreut habe –, aber ich fürchte, dass er ihn nur wiedergibt, ohne ihn erzählbar gemacht zu haben.

                      Was man erzählt, das muss erzählbar sein! Es gibt bestimmt unübersetzbare Texte — Texte, die man nicht noch einmal erzählbar machen kann. Die Fragen meiner Übersetzer nach der Bedeutung einzelner Wörter machen mich skeptisch, die Bedeutung einzelner Wörter hat mit der Erzählbarkeit nichts zu tun.

                      Es würde mir leichter fallen, über Paris zu erzählen als über New York. Paris kenne ich sehr gut aus literarischen und privaten Erzählungen, auch aus dem Kino. Paris ist für mich von vornherein eine Erzählung, weil ich im wirklichen Paris noch nie war. In New York war ich aber oft und lange. Vorläufig würde mein Bericht darüber heißen: »Ja, ja, New York.« Für mich musste ich es erst erzählbar machen.

                      Als Kind hat man sich vorgestellt, später einmal die ganze Welt anzuschauen, Afrikaforscher zu werden oder China zu bereisen wie Marco Polo. Ich saß vor der Weltkarte und plante meine Reisen. Auf Australien verzichtete ich im voraus wegen der Hitze, aber Paris hatte erste Priorität.

                      Inzwischen bin ich durch beruflichen Zufall in Australien gewesen, in Paris nie. Ich werde das auch nicht nachholen. Aber die Möglichkeit einmal hinzufahren, bleibt mir wichtig! Ich bin darauf angewiesen, dass es Paris gibt! Im Kleinen nennt man das Infrastruktur: Alle ärgern sich darüber, dass sonntags fast alle Restaurants geschlossen sind, aber die wenigen in der Stadt, die offen sind, sind leer.

                      Man geht zwar nicht hin, aber die Vorstellung, überhaupt nicht hingehen zu können, ist unerträglich.

                      Ich war schon seit Monaten nicht mehr im Kino — trotzdem, ich finde, dass es in meiner Stadt zu wenige Kinos gibt. Ich bin froh, dass es eine ganze Welt gibt. Ich brauche sie als Fluchtmöglichkeit — nicht in Wirklichkeit, aber in meinem Kopf. Ich bin froh, dass Paris am Sonntag offen hat.

                      Darüber sprachen wir drei an diesem schönen Abend, fiel mir hinterher ein. Und wenn man mich fragt, warum denn das Sprechen über solche Dinge glücklich machen kann, dann kann ich nur hilflos mit den Schultern zucken, denn weil ich es nicht übersetzen kann vom Deutschen ins Deutsche, weil ich es nicht erzählbar machen kann, bleibt es nur ein Inhalt, nur ein Thema.

                      Sprache hat mit Sprechen zu tun. Hie und da erleben wir Sprache als Glück. Eben, wenn wir sprechen — über irgend etwas –, über Paris zum Beispiel.

                      Unterhaltung mit Freunden – Peter Bichsel – Sprache - Story 

                      Autor: Peter Bichsel

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                        Es gibt Tage, die haben keine Gelegenheit stattzufinden. Sie sind dadurch gelähmt, dass man heute nichts tun kann.

                        Die britischen Kronjuwelen - Krimi

                        Die britischen Kronjuwelen – Tommy Truong – Kriminalstory
                        Die britsichen Kronjuwelen 

                        Die britischen Kronjuwelen – Tommy Truong – Kriminalstory 


                        Es war gegen zehn Uhr morgens, ein sonniger Tag Mitte Mai, als ich mich auf den Weg zur Arbeit machte. Ich trug meinen dunkelbraunen Anzug mit weißem Hemd, Krawatte, Einstecktuch, meine Armbanduhr und schwarze Lederschuhe. Mein schwarzes, kurzes Haar war perfekt gekämmt.

                        ,,Guten Morgen Kommissar Roberts, der Chef möchte mit Ihnen sprechen‘‘, sagte die Sekretärin Sarah Miller am Eingang. ,,Das kann nichts Gutes bedeuten‘‘, dachte ich. In meinem Büro wartete mein Chef, Herr Ryan, schon ungeduldig auf mich.

                        Als ich eintrat, bekam ich keinen Ärger, sondern wurde sehr freundlich begrüßt – was ungewöhnlich war.

                        „Hallo, Mister Roberts, haben Sie gut geschlafen?“, fragte der gut gelaunte Chef. Ohne auf meine Antwort zu warten, fuhr er fort: ,,Haben Sie heute einen Blick in die Zeitung geworfen?“

                        ,,Nein, Chef, am Morgen war ich in Eile‘‘, antwortete ich. „Worauf will er hinaus?“, dachte ich.

                        ,,Die britischen Kronjuwelen im ,,Tower of London‘‘ wurden gestern gestohlen. Die Regierung ist in Aufruhr‘‘, berichtete der Chef. Es gab noch nie ein so dreistes Verbrechen in London. ,,Die Königin wurde dadurch krank und Prinz Philip forderte mich auf, den Fall zu übernehmen‘‘, teilte Herr Ryan mir mit. ,,Und zwar möglichst schnell!“, ergänzte er.

                        ,,Da bleibt mir wohl nichts Anderes übrig, nehme ich an‘‘, sagte ich.

                        ,,Genau! Ich wusste, dass Sie mich am besten verstehen‘‘, erwiderte der Chef.

                        Nach ungefähr fünfzehn Minuten stand ich vor einer großen, alten Festung. In der Hand hielt ich einen Stift und einen Notizblock. Neben mir stand Tom Christian Herald in einer viktorianischen, roten Uniform. Der kleine Mann war einer der ,,Yeoman Warders‘‘.

                        ,,Meine Aufgabe als ,,Yeoman Warder‘‘ ist es, den ,,Tower of London‘‘ zu bewachen und die Touristen herumzuführen‘‘, erklärte mir Tom.

                        „Was wissen Sie über das Verbrechen von gestern?“, fragte ich ihn.

                        „Ich war gestern krank. Erst heute Morgen erfuhr ich von dem Diebstahl. Mir wurde gesagt, dass die britischen Kronjuwelen gestohlen wurden. Stimmt das?“, erkundigte sich Tom.

                        ,,Ja, das stimmt tatsächlich‘‘, bestätigte ich. Nach dem Gespräch führte mich Tom im ,,Tower of London‘‘ herum. In der Festung roch es muffig. Die Gebäude sahen respekteinflößend aus. Ich schaute mir die Waffen und Rüstungen an, die einstigen ,,Royal Armouries‘‘, die dem britischen Museum mit einer der größten Sammlungen für Waffen und Rüstungen der Welt gehörten, während Tom mir die Geschichte des ,,Tower of London‘‘ erzählte.

                        Wo die britischen Kronjuwelen gestanden hatten, waren nur noch leere Vitrinen zu sehen. Vom Täter wurden keine Spuren hinterlassen. In der Aufnahme der Überwachungskamera erkannte man eine Gestalt mit einer Sturmhaube und schwarzer Kleidung, sodass man den Täter nicht erkennen konnte.

                        ,,Der Dieb muss sich sehr gut im ,,Tower of London‘‘ auskennen‘‘, meinte Tom. „Außerdem kann man so viele Vorhängeschlösser nicht in einer Nacht knacken, das bedeutet, dass der Täter die Schlüssel bei sich hatte!“, fügte ich hinzu. „Aber die Schlüssel für die Türen und Schlösser haben nur Vanessa und Rico! Und sie können es unmöglich gewesen sein!“, versicherte mir der ,,Yeoman Warder‘‘.

                        ,,Wer weiß, vielleicht ist es doch einer von Ihnen gewesen‘‘, überlegte ich. ,,Könnte ich ein kurzes Gespräch mit Vanessa führen?“, fragte ich, ,,und danach mit Rico?‘‘

                        ,,Natürlich! Vanessa ist heute da, aber Rico habe ich noch nicht gesehen‘‘, antwortete Tom. Als ich mich auf den Weg zu Vanessas Büro machte, stieß mich aus Versehen eine junge Frau an.

                        ,,Entschuldigung‘‘, rief sie, ,,Sind Sie Kommissar Roberts?“ ,,Ja, das bin ich. Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte ich zurück. „Hallo, ich bin Vanessa Ehlers. Es wurde gerade eine Leiche im Hinterhof entdeckt‘‘, sagte Vanessa.

                        Ich musste noch nie zwei Verbrechen auf einmal aufklären, die möglicherweise von ein- und demselben Täter begangen wurden. Im Hinterhof traf ich Tom. Er erzählte mir, dass Rico tot im Gebüsch aufgefunden wurde. Um den Leichnam standen dutzende Menschen, auch Vanessa hatte sich in die Menge gedrängt.

                        Ich brauchte etwa fünf Minuten, um an Ricos Leichnam heranzukommen. Rico hatte eine dicke Wunde am Kopf. Seine kleine Schwester Emilia Rose schluchzte neben seinem Leichnam. In Ricos rechter Hand lag ein Handy.

                        „Wieso hält er das Handy in der Hand?“, fragte ich mich selbst. Auch Emilia hörte auf zu schluchzen und schaute auf Ricos Handy. Ich nahm es ihm aus der Hand und schaltete es ein. Die Menge verstummte und alle Blicke waren auf das Display gerichtet, doch dieses blieb schwarz. Ich verstaute das Handy in meiner Tasche, damit die Kollegen auf dem Polizeirevier es in Ruhe reparieren können. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Vanessa grinste. Doch ich war mir nicht sicher, ob ich es mir nur eingebildet hatte.

                        Als die Leiche weggetragen wurde, warf Emilia einen letzten Blick auf Rico. Sie schluchzte heftiger als zuvor. Dann, als ich gehen wollte, holte sie mich gerade noch ein.

                        ,,Hallo! Ich bin Emilia, Ricos Schwester‘‘, sagte sie. „Hallo, ich bin Kommissar Roberts. Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte ich, wie ich immer zu fragen pflege.

                        „Ich glaube, dass Vanessa meinen Bruder getötet hat!“, flüsterte Emilia mir ins Ohr, damit kein Anderer es hören konnte. „Warum sind Sie sich so sicher?“, wollte ich von ihr wissen. ,,Weil Rico und Vanessa früher zusammen waren und sich vor Kurzem getrennt haben‘‘, begründete sie. ,,Okay, das werde ich im Kopf behalten‘‘, versicherte ich Emilia.

                        In den nächsten Stunden dachte ich über alle Einzelheiten nach. ,,Vanessa ist die Täterin‘‘, hörte ich immer wieder Emilias Stimme sagen. Als ich Vanessa nach ihrem Alibi fragte, meinte sie, dass sie mit Lisa Bennett zusammen gewesen sei. Und Lisa Bennett war genau einen Tag nach dem Verbrechen krank geworden …

                        Plötzlich klingelte es an meiner Haustür. Ein Polizist mit einer schwarzen Uniform sagte: ,,Guten Tag, Kommissar Roberts. Wir haben Ricos Handy repariert und ein Foto gefunden. ‘‘Der Polizist überreichte mir ein Foto. Darauf zu sehen waren Rico und Tom in viktorianischen, roten Uniformen. Unten rechts stand das Datum: 17. Mai.

                        ,,Das war doch an dem Tag, als die britischen Kronjuwelen gestohlen wurden. Also hatte Tom mich angelogen. Und er hat Rico ermordet, um die Schlüssel zu bekommen‘‘, überlegte ich.

                        „Was haben Sie gesagt?“, fragte der Polizist. „Tom Christian Herald hat die britischen Kronjuwelen gestohlen und Rico Rose ermordet!“

                        Die britischen Kronjuwelen – Tommy Truong – Kriminalstory - Story - Krimi

                        Autor: Tommy Truong

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                          Kriminalstory - Es war gegen zehn Uhr morgens, ein sonniger Tag Mitte Mai, als ich mich auf den Weg zur Arbeit machte.