Das Rasiermesser
Das Rasiermesser - Fabel - Leonardo da Vinci - Italien
Als das Rasiermesser eines schönen Tages aus seinem Griff, der ihm zur Scheide diente, herauskam und sich ans Fenster legte, sah es die Sonne in seinem Leib spiegeln.
Da fühlte es in sich ungeheuren Stolz und Glanz, und in Gedanken an sein Handwerk sprach es zu sich selber: “Niemals wieder will ich mehr in diese Bude zurück, aus der ich kam! Mögen die Götter verhüten, dass meine glanzvolle Schönheit so erniedrigt werde!
Welcher Wahnsinn, die eingeseiften Bärte dummer Bauern zu rasieren, welche Hausknechtsarbeit! Ist dieser wunderschöne Leib dazu geschaffen? Oh bei Gott, nein! Ich will mich an einem verborgenen Ort verstecken und dort in stiller Ruhe mein Leben verbringen.”
Als das Messer nun einige Zeit in seinem Versteck zugebracht hatte, kehrte es eines Tages wieder an die Luft zurück; aber, oh Schreck, da merkte es, dass es aussah wie eine alte verrostete Säge, und die Sonne blitzte nicht mehr auf der stumpfen Fläche.
Vergebens war jetzt die Reue und nutzlos die Klage. “Oh, wie viel besser hätte ich getan”, sprach das Messer bei sich, “meine scharfe, ach nun verdorbene Schneide beim Barbier zu üben! Wo ist mein glänzender Leib geblieben? Weh mir, dieser abscheuliche Rost hat ihn tückisch zerfressen!”
Lehre: Ganz so wird es denen gehen, die sich dem Müßiggang hingeben, anstatt zu arbeiten. Sie werden, wie das Rasiermesser, ihre scharfe Schneide verlieren, und der Rost der Trägheit und der Unwissenheit wird ihre Form verderben. Wahrlich, wer rastet der rostet!
Das Rasiermesser - Fabel - Leonardo da Vinci - Italien - Faulheit und Arbeit
Autor*in: Leonardo da Vinci
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Als das Rasiermesser eines schönen Tages aus seinem Griff, der ihm zur Scheide diente, herauskam und sich ans Fenster legte, sah es die Sonne in seinem Leib spiegeln.