Schiller - Die Räuber - 2. Akt - 3. Szene | AVENTIN Blog --

Schiller - Die Räuber - 2. Akt - 3. Szene

Schiller - Die Räuber - 2. Akt - 3. Szene
Schiller - Die Räuber  

Schiller - Die Räuber - 2. Akt - 3. Szene


Karl lebt als Hauptmann seiner Räuberbande in den böhmischen Wäldern. Auch Spiegelberg kehrt zu ihnen zurück und führt der Bande neue Anhänger zu. Die Loyalität zu ihrem Hauptmann festigt sich, als die Räuber erfahren, dass Roller, ein geschätztes Bandenmitglied, von Karl vor dem Galgen gerettet wurde. Dabei ist die Stadt, die Roller zum Tode verurteilt hatte, in Brand gesteckt und vollständig zerstört worden. 

Der Befreiung fielen 83 Stadtbewohner zum Opfer. Als der Wald daraufhin von einer großen Anzahl Soldaten umzingelt wird, will ein Pater die Räuber dazu bringen, ihren Hauptmann auszuliefern, indem er ihnen verspricht, dass ihnen ihre Schandtaten durch diesen Verrat vergeben würden. Doch obwohl auch Karl selbst seine Männer auffordert, ihn auszuliefern, stehen diese fest hinter ihm. Mit dem Ruf „Tod oder Freiheit“ beginnt der Kampf und endet der zweite Akt. 

Karl Moor hält im Lager der Räuber dem Pater eine Strafpredigt.

RAZMANN. Bist da? bists wirklich? So lass dich doch zu Brei zusammendrucken, lieber Herzensbruder Moritz! Willkommen in den böhmischen Wäldern! Bist ja groß worden und stark. Stern- Kreuz-Bataillon! Bringst ja Rekruten mit einen ganzen Trieb, du trefflicher Werber!

SPIEGELBERG. Gelt, Bruder? Gelt? Und das ganze Kerl darzu! – du glaubst nicht, Gottes sichtbarer Segen ist bei mir; war dir ein armer hungriger Tropf, hatte nichts als diesen Stab, da ich über den Jordan ging, und itzt sind unserer achtundsiebenzig, meistens ruinierte Krämer, rejizierte Magister und Schreiber aus den schwäbischen Provinzen. Das ist dir ein Korps Kerles, Bruder, deliziöse Bursche, sag ich dir, wo als einer dem andern die Knöpfe von den Hosen stiehlt, und mit geladener Flinte neben ihm sicher ist – und haben voll auf, und stehen dir in einem Renommee vierzig Meilen weit, das nicht zu begreifen ist. Da ist dir keine Zeitung, wo du nicht ein Artikelchen von dem Schlaukopf Spiegelberg wirst getroffen haben, ich halte sie mir auch pur deswegen – vom Kopf bis zun Füßen haben sie mich dir hingestellt, du meinst, du sähst mich, – sogar meine Rockknöpfe haben sie nicht vergessen. Aber wir führen sie erbärmlich am Narrenseil herum. Ich geh letzthin in die Druckerei, geb vor, ich hätte den berüchtigten Spiegelberg gesehn, und diktier einem Skrizler, der dort saß, das leibhafte Bild von einem dortigen Wurmdoktor in die Feder, das Ding kommt um, der Kerl wird eingezogen, par force inquiriert, und in der Angst und in der Dummheit gesteht er dir, hol mich der Teufel! gesteht dir, er sei der Spiegelberg – Donner und Wetter! Ich war eben auf dem Sprung, mich beim Magistrat anzugeben, daß die Canaille mir meinen Namen so verhunzen soll – wie ich sage, drei Monat drauf hangt er. Ich musste nachher eine derbe Prise Tobak in die Nase reiben, als ich am Galgen vorbeispazierte, und den Pseudo-Spiegelberg in seiner Glorie da paradieren sah – und unterdessen dass Spiegelberg hangt, schleicht sich Spiegelberg ganz sachte aus den Schlingen, und deutet der superklugen Gerechtigkeit hinterrucks Eselsohren, dass ’s zum Erbarmen ist.

RAZMANN lacht. Du bist eben noch immer der alte.

SPIEGELBERG. Das bin ich, wie du siehst, an Leib und Seel. Narr! einen Spaß muss ich dir doch erzählen, den ich neulich im Cäcilienkloster angerichtet habe. Ich treffe das Kloster auf meiner Wanderschaft so gegen die Dämmerung, und da ich eben den Tag noch keine Patrone verschossen hatte, du weißt, ich hasse das diem perdidi auf den Tod, so musste die Nacht noch durch einen Streich verherrlicht werden, und sollts dem Teufel um ein Ohr gelten! Wir halten uns ruhig bis in die späte Nacht. Es wird mausstill. Die Lichter gehen aus. Wir denken, die Nonnen könnten itzt in den Federn sein. – Nun nehm ich meinen Kameraden Grimm mit mir, heiß die andern warten vorm Tor, bis sie mein Pfeifchen hören würden, – versichere mich des Klosterwächters, nehm ihm die Schlüssel ab, schleich mich hinein, wo die Mägde schliefen, praktizier ihnen die Kleider weg, und heraus mit dem Pack zum Tor. Wir gehn weiter von Zelle zu Zelle, nehmen einer Schwester nach der andern die Kleider, endlich auch der Äbtissin. – Itzt pfeif ich, und meine Kerls draußen fangen an zu stürmen und zu hasselieren, als käm der Jüngste Tag, und hinein mit bestialischem Gepolter in die Zellen der Schwestern! – Hahaha! – da hättest du die Hatz sehen sollen, wie die armen Tierchen in der Finstere nach ihren Röcken tappten, und sich jämmerlich gebärdeten, wie sie zum Teufel waren, und wir indes wie alle Donnerwetter zugesetzt, und wie sie sich vor Schreck und Bestürzung in Bettlaken wickelten, oder unter dem Ofen zusammenkrochen wie Katzen, andere in der Angst ihres Herzens die Stube so besprenzten, dass du hättest das Schwimmen drin lernen können, und das erbärmliche Gezeter und Lamento, und endlich gar die alte Schnurre, die Äbtissin, angezogen wie Eva vor dem Fall – du weißt, Bruder, dass mir auf diesem weiten Erdenrund kein Geschöpf so zuwider ist als eine Spinne und ein altes Weib, und nun denk dir einmal die schwarzbraune, runzligte, zottigte Vettel vor mir herumtanzen, und mich bei ihrer jungfräulichen Sittsamkeit beschwören – alle Teufel! ich hatte schon den Ellbogen angesetzt, ihr die übriggebliebenen wenigen Edlen vollends in den Mastdarm zu stoßen – kurz resolviert! entweder heraus mit dem Silbergeschirr, mit dem Klosterschatz und allen den blanken Tälerchen, oder – meine Kerls verstanden mich schon – ich sage dir, ich hab aus dem Kloster mehr dann tausend Taler Werts geschleift, und den Spaß obendrein, und meine Kerls haben ihnen ein Andenken hinterlassen, sie werden ihre neun Monate dran zu schleppen haben.

RAZMANN auf den Boden stampfend. Dass mich der Donner da weg hatte!

SPIEGELBERG. Siehst du? Sag du mehr, ob das kein Luderleben ist? und dabei bleibt man frisch und stark, und das Korpus ist noch beisammen, und schwillt dir stündlich wie ein Prälatsbauch – ich weiß nicht, ich muss was Magnetisches an mir haben, das dir alles Lumpengesindel auf Gottes Erdboden anzieht wie Stahl und Eisen.

RAZMANN. Schöner Magnet du! Aber so möcht ich Henkers doch wissen, was für Hexereien du brauchst –

SPIEGELBERG. Hexereien? Braucht keiner Hexereien – Kopf musst du haben! Ein gewisses praktisches Judizium, das man freilich nicht in der Gerste frisst – denn siehst du, ich pfleg immer zu sagen: einen honetten Mann kann man aus jedem Weidenstotzen formen, aber zu einem Spitzbuben wills Grütz – auch gehört darzu ein eigenes Nationalgenie, ein gewisses, dass ich so sage, Spitzbubenklima, und da rat ich dir, reis du ins Graubünder Land, das ist das Athen der heutigen Gauner.

RAZMANN. Bruder! man hat mir überhaupt das ganze Italien gerühmt.

SPIEGELBERG. Ja ja! man muss niemand sein Recht vorenthalten, Italien weist auch seine Männer auf, und wenn Deutschland so fort macht, wie es bereits auf dem Weg ist, und die Bibel vollends hinausvotiert, wie es die glänzendsten Aspekten hat, so kann mit der Zeit auch noch aus Deutschland was Gutes kommen – überhaupt aber, muss ich dir sagen, macht das Klima nicht sonderlich viel, das Genie kommt überall fort, und das übrige, Bruder – ein Holzapfel weißt du wohl, wird im Paradiesgärtlein selber ewig keine Ananas – aber dass ich dir weiter sage, – wo bin ich stehen geblieben?

RAZMANN. Bei den Kunstgriffen.

SPIEGELBERG. Ja recht, bei den Kunstgriffen. So ist dein erstes, wenn du in die Stadt kommst, du ziehst bei den Bettelvögten, Stadtpatrollanten und Zuchtknechten Kundschaft ein, wer so am fleißigsten bei ihnen einspreche, die Ehre gebe, und diese Kunden suchst du auf – ferner nistest du dich in die Kaffeehäuser, Bordelle, Wirtshäuser ein, spähst, sondierst, wer am meisten über die wohlfeile Zeit, die fünf Prozent, über die einreißende Pest der Polizeiverbesserungen schreit, wer am meisten über die Regierung schimpft, oder wider die Physiognomik eifert und dergleichen. Bruder! das ist die rechte Höhe! die Ehrlichkeit wackelt wie ein hohler Zahn, du darfst nur den Pelikan ansetzen – oder besser und kürzer: du gehst und wirfst einen vollen Beutel auf die offene Straße, versteckst dich irgendwo, und merkst dir wohl, wer ihn aufhebt – eine Weile drauf jagst du hinterher, suchst, schreist, und fragst nur so im Vorbeigehen: haben der Herr nicht etwa einen Geldbeutel gefunden? Sagt er ja? – nun, so hats der Teufel gesehen; leugnet ers aber: der Herr verzeihen – ich wüsste mich nicht zu entsinnen, – ich bedaure, Aufspringend. Bruder! Triumph Bruder! Lösch deine Laterne aus, schlauer Diogenes! – du hast deinen Mann gefunden.

Schiller - Die Räuber - 2. Akt - 3. Szene

Autor*in: Friedrich von Schiller

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    Karl lebt als Hauptmann seiner Räuberbande in den böhmischen Wäldern. Auch Spiegelberg kehrt zu ihnen zurück und führt der Bande neue Anhänger zu. Die Loyalität zu ihrem Hauptmann festigt sich, als die Räuber erfahren, dass Roller, ein geschätztes Bandenmitglied, von Karl vor dem Galgen gerettet wurde. Dabei ist die Stadt, die Roller zum Tode verurteilt hatte, in Brand gesteckt und vollständig zerstört worden.