Nutz- und Symbolwert
Nutz- und Symbolwert eines Gegenstandes- R.M.F - Alltagspsychologie
Es ist kein Einwand gegen den Symbolwert der Dinge, wenn etwa ein wackerer Tischler, aus dessen Werken wir eine Symbolik seiner Seele herauslesen, oder eine Hausfrau, in deren Zimmereinrichtung wir den Ausdruck ihres Charakters erkennen, uns erwidert werden würde, dass all solche Deutungen Gaukelei wären.
Jener habe ja seine Tische für ganz bestimmte Zwecke nach den Regeln seines Handwerks gezimmert und diese habe ihre Wohnung nur so eingerichtet, weil sie just diese Möbel von ihren Eltern geerbt habe.
Wir geben natürlich zu, dass allenthalben, wo wir symbolischen Sinn in den Dingen sehen, Außerseelisches, Nichtsymbolisches abzuziehen ist; aber selbst dieses wird irgendwie einbezogen in die Symbolik.
Und dass einer nichts davon weiß, wie symbolisch alles ist, was er tut, beweist nichts gegen unsere Behauptung. Denn die Menschen wissen in der Regel oft nichts von all den Ausdrucksbewegungen, in denen sie unablässig ihren Charakter kundgeben.
Gewiss ist richtig, dass, wenn einer eine Rechnung schreibt, er zunächst im Dienst praktischer Zwecke handelt, und dennoch spiegelt sich in der Art, wie er sie schreibt, sein Charakter.
Und wenn jemand Brücken, Eisenbahnen oder Autos baut, so sind das gewiss zunächst Zweckgebilde, und doch sind sie zugleich Ausdruck seelischen Wesens, wenn auch oft nur Ausdruck des Mangels an Phantasie, Schönheitssinn oder Tiefe.
Kurz, was wir bei den Bewegungen fanden, dass Ausdrucks- und Nutzbewegungen nicht scharf zu trennen sind, dass sie mannigfach ineinander übergehen, keine Nutzhandlung ohne Ausdruck, kein Ausdruck ohne Nutzen, einen wenn auch nur innerpersönlichen Wert haben, sich das auch hier wiederholt, wo wir von den außerkörperlichen Dingen, den Instrumenten und Zielen jener Bewegungen sprechen.
Indem ein Schwert oder ein Hammer, die ursprünglich Nutzgegenstände sind, teilnehmen an Bewegungen, verlängert sich deren Ausdruck gleichsam in sie hinein, und indem ein Gegenstand Ziel unseres Begehrens oder Abscheus wird, wird er damit zugleich Symbol dieser Regungen, denn schon, dass er Gegenstand wird, offenbart ja das Vorhandensein einer Beziehung zwischen der Seele und ihm, einer Beziehung, die stets auf die Seele zurückgedeutet werden kann.
Natürlich tritt, wiederum wie bei den Bewegungen der Ausdruckscharakter, so hier der Symbolcharakter besonders deutlich dann heraus, wenn praktischer Nutzen fehlt; richtiger, wir stellen dann unsere Aufmerksamkeit direkt auf den Ausdruckswert ein.
Eine Abhandlung, die einem bestimmten Zweck, etwa dem politischer Belehrung dient, liest man auch dann, wenn sie formal fein ausgearbeitet ist, meist nur auf ihren belehrenden Inhalt hin. Ein Gedicht, das keinerlei praktischen Nutzen erstrebt, wird dagegen sofort auf den Ausdruckswert hin gelesen.
Infolgedessen sind wir durchaus gewöhnt, aus einer Melodie von Mozart oder einem Bild von Dürer ihre Symbolwerte herauszulesen, den Charakter ihrer Schöpfer aus ihnen zu erschließen, und niemand zweifelt, dass in der Kunst der Stil der Mensch sei.
Aber auch nichtkünstlerische Dinge haben ihren Stil. Die Diplomatie Friedrichs des Großen und die Feldzüge Napoleons verraten ebenso sicher, wenn auch nicht ebenso sichtbar, den Charakter jener Männer. Auch sie haben persönlichen Stil, haben Symbolcharakter, nur ist er mehr verquickt mit rein praktischen Rücksichten, die das Persönliche oft stark verhüllen.
Wie wir also bei den Bewegungen keinen haarscharfen Unterschied zwischen Nutz- und Ausdrucksbewegungen machten, so tun wir es auch nicht zwischen Nutz- und Ausdrucksgegenständen; wir betonen nur, dass sich der seelische Ausdruck überall dort am reinsten entfaltet, wo äußere Zwecksetzungen ihn am wenigsten ablenken.
Aber auch wo der Mensch in einseitiger Nutzeinstellung handelt, verrät sich doch in Kleinigkeiten das Wesen seiner Seele, nicht nur in dem, worin das Ding Gegenstand eines Zweckes ist, auch in dem, worin er es nicht ist.
Denn "Gegenstand" wird uns nur das, worauf wir körperlich reagieren, und auch die angeblich rein geistigen Reaktionen enthalten, das sahen wir ja, stets ein körperliches Element, eine Bewegung, und so können wir eben so gut sagen, dass jedes Symbol nicht nur das Korrelat eines seelischen Zustandes, sondern auch einer körperlichen Bewegung oder Haltung ist.
So verknüpft sich die Symbolik mit der Mimik, also dass wir sagen können, alle Symbolik ist erweiterte Mimik, wenn das auch in verschiedenem Sinne der Fall sein kann.
Zugegeben, dass in den Beziehungen des Menschen zu den Dingen der Außenwelt "äußere", das heißt nicht in der Seele allein begründete Faktoren mitspielen, dass uns oft äußere Zufälligkeit oder Zwang die Dinge aufnötigen, die um uns sind.
Aber es gibt eine innere Notwendigkeit, die dagegen rebelliert und in der Regel, wenn das Ich nicht gar zu schwach ist, triumphiert.
Ein starkes Ich lässt sich überhaupt kaum etwas aufzwingen, aber auch ein schwächeres Ich entzieht sich allmählich dem äußeren Zwang, bildet ihn zum Mindesten so um, dass eine Anpassung, eine innere Beziehung erkennbar wird.
Wenn äußere Notwendigkeiten einen Menschen zum Wohnen in einem Haus zwingen, das seinem Wesen widerspricht, so wird er entweder danach streben, es zu verlassen und es gegen ein nicht nur seinem Nutzwillen, auch seinem Gefühlsleben adäquates Haus einzutauschen, oder er wird es so umgestalten, dass es ihm gemäß wird, wofür oft kleine Änderungen genügen.
Auf die Dauer erträgt kein Mensch eine Umwelt, die ihm fremd und zuwider ist, er passt sie seinem Wesen oder er passt sein Wesen der Umwelt an, und in beiden Fällen wird die Umwelt zum Symbol seiner Seele.
Nutz- und Symbolwert - Gegenstand - Alltagspsychologie - R.M.F
Autor*in: R.M.F
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Es ist kein Einwand gegen den Symbolwert der Dinge, wenn etwa ein wackerer Tischler, aus dessen Werken wir eine Symbolik seiner Seele herauslesen, oder eine Hausfrau, in deren Zimmereinrichtung wir den Ausdruck ihres Charakters erkennen, sie uns erwidern würden, all solche Deutungen wären Gaukelei.