Der Dank des Löwen - Fabel von Romulus | AVENTIN Blog --

Der Dank des Löwen - Fabel von Romulus

Der Dank des Löwen – Fabel von Romulus
Der Dank des Löwen 

Der Dank des Löwen – Fabel von Romulus 


Ein Löwe hatte sich auf der Jagd im Wald verirrt. Bekanntlich kommt ein Unglück selten allein. Seine Beute war ihm entkommen, und als er durch das wuchernde Gestrüpp brach, trat er sich einen langen Dorn in die Pranke. Der Löwe versuchte, ihn mit den Zähnen herauszuziehen, doch der Dorn steckte so tief im Fleisch, dass es ihm nicht gelang. Er leckte und leckte seine Wunde, aber sie entzündete sich und schmerzte immer mehr.

In der Gegend trieb ein Hirte jeden Tag seine Herde auf eine Wiese, die mitten im Wald lag, ließ die Lämmer weiden, setzte sich auf einen Baumstumpf und spielte auf seiner Flöte. Einmal – es war gerade Mittag – sah er einen Löwen am Waldrand stehen. Der Hirte warf seine Flöte fort und verbarg sich mitten in seiner Herde, denn er hoffte, dass der Löwe eines seiner Schafe fressen und ihn verschonen würde.

Der Löwe aber hinkte geradewegs durch die Lämmerherde, die zitternd auseinander stob, auf den Hirten zu, blieb vor ihm stehen, wedelte mit dem Schweif und legte ihm bittend seine wunde Pranke in den Schoß. Der Hirte sah den Dorn in der eiternden Wunde stecken und hatte Mitlied mit dem Tier. Er nahm sein Messer und zog den Dorn heraus. Dankbar leckte ihm der Löwe die Hand und blieb einige Tage bei ihm, bis die Pranke geheilt war. Dann kehrte er in die Wildnis zurück.

Bald darauf fiel der Löwe in die Hände von Tierfängern, die ihn in eine Grube lockten, gefangen nahmen und zum Kampf in die Zirkusarena führten. Zur gleichen Zeit aber wurde der Hirte von einem Gericht schuldlos zum Tode verurteilt.

Man trieb den Hirten in die Arena, aber der Löwe, der ihn töten sollte, stürzte sich nicht auf ihn. Er blieb stehen, schüttelte die mächtige Mähne, stieß ein lautes Gebrüll gegen die Reihen der Zuschauer aus und ging dann langsam auf den Hirten zu und setzte sich friedlich neben ihm nieder.

Jetzt erst erkannte der Hirte den Löwen! Es war jener, dem er einst den Dorn aus der Pranke gezogen und den er gesund gepflegt hatte.

Die Wärter trieben noch zwei andere hungrige Löwen in die Arena, aber der Beschützer wich nicht von der Seite des Hirten und verjagte sie.

Die Zuschauer konnten dieses Wunder nicht begreifen, sie forderten die Begnadigung des Hirten und die Freilassung des Löwen. Als sich noch herausstellte, dass der Hirte unschuldig verurteilt worden war, und als seine hilfreiche Tat bekannt wurde, durfte er zu seiner Herde zurückkehren. Der Löwe aber wurde freigelassen und lief in den Wald zurück.

Der Dank des LöwenFabel von Romulus

Autor*in: Romulus

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    Ein Löwe hatte sich auf der Jagd im Wald verirrt. Bekanntlich kommt ein Unglück selten allein. Seine Beute war ihm entkommen, und als er durch das wuchernde Gestrüpp brach, trat er sich einen langen Dorn in die Pranke. Der Löwe versuchte, ihn mit den Zähnen herauszuziehen, doch der Dorn steckte so tief im Fleisch, dass es ihm nicht gelang. Er leckte und leckte seine Wunde, aber sie entzündete sich und schmerzte immer mehr.