Gefahren des Meeres - Lorenz Keiser | AVENTIN Blog --

Gefahren des Meeres - Lorenz Keiser

Gefahren des Meeres – Lorenz Keiser - Satire
Gefahren des Meeres  

Gefahren des Meeres – Lorenz Keiser - Satire 


Beim Reisen lauern die Gefahren allerorten. Nicht nur zu Land und in der Luft, sondern, was man leicht vergisst, auch im Meer, wo wir uns arglos tummeln.

Das Meer existiert schon eine unendlich lange Zeit. Ich kann mich jedenfalls erinnern, dass wir schon ans Meer gefahren sind, als ich noch ein Kind war. Evolutionsgeschichtler sagen, dass es bereits vor dem Land da war und dass auch der Mensch eigentlich aus dem Meer kommt.

Was der Mensch dort getan hat, weiß ich nicht, und weshalb er heraus gekommen ist, ist mir völlig unerklärlich. Wäre er geblieben, müsste er nicht jedes Jahr wieder hinfahren.

Einigermaßen gesichert ist lediglich die Tatsache, dass sich der Mensch im Meer nicht gerade gut aufgeführt hat, denn noch heute hat er viele Feinde dort. Zu diesen zählen zum Beispiel die Seeigel.

Der Seeigel ist ein seltsames Tier, das davon lebt, harmlose Badende in die Füße zu stechen. Seine Stacheln bohren sich tief ins Fleisch, brechen dort ab und verunmöglichen für den Rest der Ferien jeden ausgewogenen Stand.

Dem Seeigel kann man ausweichen, indem man das Meer weder zu Fuß noch an flachen Stellen betritt. Das nützt jedoch meist nicht viel, denn der Seeigel aktiviert in diesem Fall seinen Komplizen, die Wandermuschel. Diese hat sich auf kopfspringende Badende spezialisiert und übernimmt dabei das hinterrückse und schmerzhafte Schneiden in die Finger.

Das Evolution History Centre in Wyoming hat gezeigt, dass vor mehreren tausend Jahren aus einer Kreuzung von Seeigeln und Wandermuschel mit großer Wahrscheinlichkeit die gemeine Krankenhausschwester (soror hospitalis) hervorgegangen ist.

Ebenfalls stark gesundheitsgefährdend kann es sein, Fisch aus dem Meer zu essen, wenn dieser nicht mehr ganz frisch ist. Die Folge ist eine Lebensmittelvergiftung, die nicht selten einen ernsten Ausgang nimmt.

Keinen Einfluss hat die Frische des Tieres beim umgekehrten Vorgang, wenn man von einem Fisch gegessen wird. Dennoch kann man sagen, dass dies der Gesundheit auf jeden Fall abträglich ist und deshalb vermieden werden sollte.

Eine weitere Gefahr im Zusammenhang mit dem Meer stellt die Qualle dar. Die Qualle ist ein heimtückisches Lebewesen, das abwechslungsweise als Polyp oder als Qualle zur Welt kommt. Wenn die Eltern Polypen waren, sind die Kinder Quallen und umgekehrt.

Es ist schwierig zu erklären, wie das genau vor sich geht, am besten stellt man sich das ähnlich vor wie bei den Menschen: Wenn die Eltern Politiker sind, werden die Kinder Punks.

Genau wie die Punks sind auch die Quallen eine eher unangenehme Erscheinung. Sie gehören zu den Hohltieren, genauer gesagt zum Stamm des Nesseltiere, und sind wahrscheinlich die Vorfahren der Brennesseln, die seinerzeit mit dem Menschen das Wasser verlassen haben, um ihn auch auf dem Land zu verfolgen.

Die Jagdgründe der Quallen sind die küstennahen Gebiete des Meeres, wo sie Plankton verdauen und auf Touristen warten. Nähert sich ein Tourist, so lädt die Qualle all ihre Nesselzellen durch und trachtet danach, ihn zu berühren.

Dies ist zweifelsfrei eine Art chemische Kampfführung, deren sich die Internationale Abrüstungskonferenz schon verschiedentlich angenommen hat. Ohne Erfolg jedoch, denn die Quallen boykottieren jeden Beschluss der Konferenz, da sie selbst nicht in ihr vertreten sind.

Seit Jahren machen die Quallen mit der Begründung, sie seien auch Hohltiere, einen Anspruch auf zwölf Sitze geltend, der aber kategorisch abgelehnt wird. So ist in dieser Frage für die nächsten Jahrhunderte kein Fortschritt in Sicht, was für die Internationale Abrüstungskonferenz nicht weiter bemerkenswert ist und nur bedeutet, dass sich der Badende selbst gegen die Unbill des Meeres vorsehen muss.

Wie aber kann er dies tun? Wenn Sie Ihren Arzt fragen, wird er Ihnen kaum eine befriedigende Antwort geben können. Wir stehen hier vor einem Paradebeispiel, wie die moderne, quantifizierbare Wissenschaft all unsere traditionalistische, medizinische Kenntnis zugedeckt und verschüttet hat.

Diese Kenntnis freilich müssen wir nun wieder frei legen, indem wir zu unseren Wurzeln oder, wie man in Deutschland sagt, zu unseren roots vorstoßen. Das Ziel ist, in Erfahrung zu bringen, was wir gegen Seeigel, Quallen und Fische unternommen haben, als wir noch im Meer lebten. Dies erreichen wir mit Hilfe einer einfachen Reinkarnations-Trance.

Die Reinkarnations-Trance beruht auf dem Wissen, dass wir alle schon viele Male auf der Welt waren, als Katze, als Vogel oder als Ananas, und dass wir noch viele Male hierher zurückkehren werden.

In diese Reinkarnations-Trance, in der sich das Unterbewusstsein unseres früheren Lebens erinnert, lassen wir uns von einem Hypnotiseur gegen ein kleines Entgelt von einigen hundert Euro versetzen, oder aber wir bringen uns selbst in diesen Zustand.

Dazu leben wir uns am helllichten Tag aufs Bett, lassen ein bisschen laut sehr heiße Musik laufen und betrachten ein Bild eines deutschen Politikers oder einer Politikerin. Sofort schlafen wir ein.

Vor unserem geistigen Auge erscheint eine rundliche Person mit einem seltsamen seitlichen Gang, einer Haut so braun wie gegerbtes Leder und Haaren so schwarz wie verbranntes Brot. Es riecht penetrant. Wir sind ein Parfumfläschchen zur Zeit Tutenchamuns.

Sofort aufwachen, das bringt uns nicht weiter! Wir stellen den Backofen ab und wagen einen neuen Versuch.

Diesmal reisen wir in die Zukunft. Alles ist giftig-blau, überall sind tote Quallen und Seeigel. Demnach werden wir, wie abertausend andere auch, als leckeres Frutti di Mare wiedergeboren werden.

Glücklich erwachen wir, im Wissen, dass der Mensch den Kampf gegen seine Feinde im Meer gewinnen wird.

Gefahren des Meeres – Lorenz Keiser - Satire


Autor*in: Lorenz Keiser

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    Beim Reisen lauern die Gefahren allerorten. Nicht nur zu Land und in der Luft, sondern, was man leicht vergisst, auch im Meer, wo wir uns arglos tummeln. Das Meer existiert schon eine unendlich lange Zeit. Ich kann mich jedenfalls erinnern, dass wir schon ans Meer gefahren sind, als ich noch ein Kind war.