Wahrheit und Erkenntnis
Wahrheit und Erkenntnis - Wandel - Hermann Hesse
Alle Erkenntnis, wenn man darunter etwas Lebendiges und nicht Akademisches versteht, hat nur einen Gegenstand. Und dieser wird von Tausenden und tausendfach erkannt und meint doch stets nur eine Wahrheit …
Es ist die Erkenntnis von der Möglichkeit, alle Gegensatzpaare aufzuheben, alles Weiß in Schwarz, alles Böse in Gut, alle Nacht in Tag zu verwandeln.
Der Inder sagt »Atman«, der Chinese sagt »Dao«, der Christ sagt »Gnade«.
Wo jene höchste Erkenntnis da ist, wie bei Jesus, Buddha, Plato oder Lao Tse, da wird eine Schwelle überschritten, hinter der die Wunder beginnen. Da hört Krieg und Feindschaft auf.
Man kann davon im NT und in den Reden Gotamas lesen, und wer will, kann auch darüber lachen und es »Verinnerlichungsrummel« heißen. Wer es aber erlebt, dem wird der Feind zum Bruder, der Tod zur Geburt, die Schmach zur Ehre und das Unglück zu Schicksal.
Jedes Ding auf Erden zeigt sich doppelt, einmal als »von dieser Welt« und einmal als »nicht von dieser Welt«.
»Diese Welt« aber bedeutet, was »außer uns« ist. Alles, was außer uns ist, kann Feind, kann Gefahr, kann Angst und Tod werden. Mit der Erfahrung, dass all dies »Äußere« nicht nur Gegenstand unserer Wahrnehmung, sondern zugleich Schöpfung unserer Seele ist.
Mit der Verwandlung des Äußeren in das Innere, der Welt in das Ich, beginnt das Tagen.
Wahrheit und Erkenntnis - Wandel - Hermann Hesse - Essay
Autor*in: Hermann Hesse
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Alle Erkenntnis, wenn man darunter etwas Lebendiges und nicht Akademisches versteht, hat nur einen Gegenstand. Und dieser wird von Tausenden und tausendfach erkannt und meint doch stets nur eine Wahrheit …